Hexen
von tanz.sucht.theater | Dschungel Wien | 8 + | Julia Gramm
Hexen, eines der beiden Eröffnungsstücke des Dschungel Wien für die Saison 2022/23, behandelt das Thema Intersektionalität. Unter Intersektionalität versteht man die Benachteiligung und Diskriminierung einer Person, die mehr als ein Charakteristikum aufweist, für das sie diskriminiert wird. Aus dem Zusammentreffen mehrerer Merkmale entsteht für die Person eine Erfahrung von Diskriminierung, die nicht ausschließlich dem einen oder dem anderen Charakteristikum zuzuordnen ist. Eine finale Auflösung für diese vielschichtige Problematik bietet das Stück freilich nicht an. Stattdessen bietet es Ratschläge an, die man in Hinblick auf Gespräche über Diskriminierungserfahrungen, aber gerne auch bei anderen Interaktionen von Mensch zu Mensch (mehr) beachten sollte: Mal still sein und anderen Menschen besser zu hören. Die eigenen Probleme machen die der anderen nicht kleiner. Sich nicht immer in den Vordergrund drängeln, sondern auch anderen Platz lassen. Zuletzt: Sich aussöhnen können ist kein Zeichen von individueller Schwäche, sondern von gemeinschaftlicher Stärke.
Im Programmheft schreibt tanz.sucht.theater (Maartje Pasman, Yuria Knoll, Iris Omari Ansong und Katharina Senk) von ihrem Schaffensprozess: Sie haben sich dagegen entschieden, eine „Oberhexe“ (oder Choreografin) zu ernennen, und stattdessen basisdemokratisch gearbeitet. Beim Besuch des Stücks spürt man das: Alle bringen ihre Talente ein und so strahlen sie im Kollektiv.
Hexen wird nicht bloß in Österreichische Gebärdensprache (kurz ÖGS) übersetzt, sondern formt die Inszenierung aktiv mit: Bei der Vorstellungsrunde der Hexen wird abwechselnd gesprochen und performt, sodass Personen, die der ÖGS-Übersetzung folgen, sich nicht zwischen dem Betrachten der Performance oder dem Text entscheiden müssen.
Das Stück gibt ÖGS eine Stunde Sichtbarkeit, die diese Sprache selten bekommt, und stößt im Publikum auf reges Interesse. Das fällt auf, als die Performer*innen beginnen „Heute hier hexen wir!“ zu skandieren und simultan zu gebärden: Es findem sich sogleich Zuschauer*innen, die die Gebärden aufnehmen und zurückzeigen.
tanz.sucht.theater zeigt eindrucksvoll auf, dass man einen bezaubernden gemeinsamen Theaterabend für hörende und gehörlöse Menschen inszenieren kann. Es ist (k)ein Hexenwerk: Bitte mehr davon!
Idee, Choreografie, Performance: Maartje Pasman, Yuria Knoll, Iris Omari Ansong, Katharina Senk | Kostüm, Bühne: Julia Trybula | Licht: Hannes Röbisch | Zauberkunst: Thomas Thalhammer | Produktionsleitung: Dušana Baltić | Dolmetscher*innen: Elke Schaumberger, Georg Marsh | Mit freundlicher Unterstützung von Verein Moritz | Herzlichen Dank an Myassa Kraitt, Mbatjiua Hambira, Babsi Neundlinger | Sujet: Franzi Kreis
Die Produktion ist auf der Dschungel Wien-Website hier zu finden: Klick!