Tabu
von Teatro o bando & Dschungel Wien | Dschungel Wien | 12+ | Julia Gramm
Vor Beginn der Probenzeit wurden die Tabus von Jugendlichen gesammelt, die sie selbst eingesprochen haben. Indem die unterschiedlichen Stimmen und ihre Anliegen einander überlagernd abgespielt werden sind sie ein passendes Vehikel, um die Pubertät, diese aufwühlende Zeit, zu transportieren: Die maßlose Überforderung mit diesen neuen Wünschen, externen Erwartungen und Gefühlen inklusive. Neben dem bloßen Aussprechen passiert wenig mit der Sammlung: Die wenigsten Beiträge werden darüber hinaus aufgegriffen und noch weniger tiefgreifend besprochen.
Die Schwachstelle des Abends ist die Dramaturgie: Rafael Barreto erzählt davon, mit der Außenwahrnehmung von ihm als einem (gefährlichen) Schwarzen Mann konfrontiert zu sein. Nicht nur lehnt er diese Unterstellung ab, sondern er betont: Ich bin so viel mehr. Nach diesem berührenden Moment geht von Barreto der Auftakt einer schwungvollen Tanznummer aus, in die Nèrika Amaral und Elif Bilici alsbald einsteigen. Amaral wird schließlich von ihren Kolleg*innen mit immer mehr Tüllröcken behangen. Schließlich schauen nur noch ihr Gesicht und ihre Füße aus dem bunten Bausch hervor. Amaral stimmt Dinah Washingtons What a Difference a Day makes an. Maria Taborda, die on stage für die Musik verantwortlich ist, liefert eine minimalistische Begleitung, die Amarals tragender Stimme und sanftem Timbre einen Rahmen gibt. Nach der ersten Strophe endet die musikalische Einlage und Amaral geht in einen Monolog über, in dem sie beschreibt, dass es Menschen gebe, die nicht wollen, dass sie ihre Gefühle und Gedanken offen ausdrücke. Von Barretos Monolog zu Tanz zu Tüll zu Gesang zu Amarals Monolog: Als Zuschauer*in sieht man wie gebannt dem Wie, der beeindruckenden Kunstfertigkeit der Künstler*innen auf der Bühne, zu, während man gleichzeitig versucht, sich einen Reim auf das Warum, der Dramaturgie des Abends, zu machen.
Tabu ist ein wilder Rausch an eindrucksvollem Talent, dem leider die Substanz fehlt. Was nach dem Besuch des Stücks bleibt, ist dreierlei: Erstens die Begeisterung für die Künstler*innen auf der Bühne, zweitens die Freude darauf, sie in anderen, hoffentlich gehaltvolleren, Produktionen wiederzusehen, und zuletzt die Frage, ob das bloße Aussprechen von Tabus ausreicht, um sie zu brechen.
Konzept, Regie: Juliana Pinho (Teatro o bando) | Choreografie, Ko-Regie: Corinne Eckenstein (Dschungel Wien) | Regieassistenz: Amarílis Anchieta | Dramaturgie: Amarílis Anchietta, Alesa Herrero, Susana Mateus | Bühne: Rui Francisco | Kostüme: Catarina Fernandes | Licht: Hannes Röbisch, Michael Zweimüller | Produktion: Inês Gregório | Musik: Maria Taborda | Performance: Nèrika Amaral, Rafael Barreto, Elif Bilici | Im Rahmen von connect up: European Theatre for Young Audiences in a Union of Diversity | Pressefotos: Rainer Berson
Die Produktion ist auf der Dschungel Wien-Website hier zu finden: Klick!