Hell, Girl
Ab 12│ Theater foXXfire! │ Dschungel Wien│ von Anna Bauer
Drei junge Erwachsene, ein Auto, eine verlassene Landstraße irgendwo in Slowenien. Es regnet in Strömen, plötzlich ein Rucken, ein Bremsen. Irgendetwas wurde angefahren, sicherlich. Im Auto entbrennt eine Diskussion: Aussteigen und im düsteren Wald auf Spurensuche gehen oder doch lieber weiterfahren? Schließlich ein lautes „Stopp“. Die Entscheidung wird aufs Publikum ausgelagert.
Im „Choose-your-own-adventure”-Style erzählt das Kollektiv „Theater foXXfire!“ den Roadtrip dreier Anfang Zwanzigjähriger. Thea, Benjamin und Mirjana sind zum ersten Mal gemeinsam auf Urlaubsreise. Nicht immer sind sich die drei dabei einig, wie die Dinge weitergehen sollen. Nach Slowenien oder in die Steiermark? Platonisch oder romantisch? Der Akt der Entscheidung wird dabei immer wieder an das Publikum weitergereicht. Jeder Entschluss verändert dabei das Geschehen, bestimmt gar, wie die Schauspielenden es formulieren „zwischen Leben und Tod“.
Klingt spannend, ist es auch. Zumindest anfänglich. Die Möglichkeit der Partizipation bricht geschickt mit der engen Unterteilung in Bühnenraum und Publikum. Breits nach der ersten Probeabstimmung wirkt die Stimmung im Saal gelockert, auch im späteren Verlauf wird laut mitgefiebert und mitgedacht. Dass bei den Abstimmungen, anders als zuvor angekündigt, nicht immer demokratisch vorgegangen wird, ist frustrierend, aber verschmerzbar.
Weitaus weniger rechtfertigbar ist, dass zwischen Unfall in Slowenien und Pizza in Italien wenig Raum für kritische Reflexionen bleibt. War Gewalt wirklich die richtige Lösung? Und ist Sex ohne Erinnerung überhaupt einvernehmlich? Gerade durch den Modus der Abstimmung würde es sich anbieten das Dargebotene zu kontextualisieren oder zu problematisieren. In „Hell, Girl“ fällt dieser Aspekt jedoch völlig unter den Tisch. Zwar entgeht das Stück damit der Gefahr schulmeisterlich lehrhaft zu wirken, gleichzeitig bleiben damit sämtliche noch so problematische Inhalte unkommentiert stehen. Gerade in Bezug auf Konsens ist das fatal.
Die schablonenhafte Charakterisierung der Figuren macht das nicht unbedingt leichter. Benjamin, der versucht Konflikten aus dem Weg zu gehen, Thea, die naiv und schüchtern durch die Welt navigiert und Mirjana, die zwar als cool und lässig dargestellt wird, aber gleichzeitig sehr ruppig und von oben herab mit ihren Mitreisenden verfährt. Nicht zuletzt deshalb eskalieren manche Situationen mehr als notwendig, lassen das Geschehen an einen absurden Fiebertraum erinnern. Trotz der vielversprechenden Prämisse des interaktiven Theaters holpert das Stück damit inhaltlich etwas dahin.
Dafür überzeugt Bühnenbild und Requisiten. An eine laterna magica erinnernd, wird im Hintergrund auf eine Videoleinwand vom düsteren Wald in Slowenien bis hin zur sonnigen Adria sämtliche Landschaft, graphisch gekonnt ausgestaltet, projiziert. Die Requisiten sind schlicht gehalten. Einem beinahe spielerisch-kindlichen Blick auf die Welt gleich wird somit auch schnell einmal ein Handventilator zum Regenschirm und vier Sesseln zum Auto umfunktioniert, was nicht selten eine herrliche Situationskomik mit sich bringt.
Insgesamt bleibt „Hell, Girl“ ein Stück, das versucht, vieles richtig zu machen, aber am Feingefühl scheitert.
AUTOR: Benedict Thill │ REGIE: Richard Schmetterer │ VISUALS + BÜHNE: OMAi – Office for Media and Arts International │KOSTÜME: Clara Montocchio │ MUSIK: Victor Weiss │ REGIEASSISTENZ: Norbert Holoubek │ LICHT: Hannes Röbisch│ DARSTELLER*INNEN: Hannah Darabos, Etienne Lestrange, Kaisa Pušnik

