„Carte Blanche“ (Aurelia Staub & Naemi Latzer, konnextra) ///
Am Ende steht auch immer ein Anfang oder „Just keep on moving“ /// Katrin Hammerl ///
In Carte Blanche erzählen zwei Frauen aus zwei Generationen von ihren Leidenschaften: Tanz und Schauspiel. Während Naemi Latzer an ihrem lebenslangen Wunsch, Schauspielerin zu werden, immer wieder Zweifel plagen, erinnert sich Aurelia Staub an ihr Leben als Tänzerin. „Ich war Tänzerin! Nein. Ich war Tänzerin.“ Staub erzählt, wie der Tanz zu ihr kam, ohne dass sie ihn suchte und wie er ihr Selbstbewusstsein gab. Tanzend erinnert sie sich an Choreografien von früher. Die Bewegungen sind in ihren Körper eingeschrieben. Die Musikzitate reichen von Klassik über Pop bis Elektronik; die Tonqualität des Schallplattenspielers erweckt Nostalgie.
Latzer hingegen steht am Anfang ihrer Karriere. Will oder „muss“ sie Schauspielerin werden? Sie hadert damit, dass sie will, obwohl sie das harte Künstlerinnenleben ihrer Mutter miterlebt hat. Den enormen Druck, der auf einer jungen Schauspielerin lastet, macht Latzer gleich zu Beginn der Aufführung spürbar. Zweimal spricht sie den anspruchsvollen Monolog der Nina aus Tschechows „Die Möwe“ und fragt dann das Publikum: „Wie war ich? Kann man sich vorstellen, dass aus mir eine Schauspielerin wird?“ Die Reaktion im überfüllten Berio-Saal des Konzerthauses: Applaus! – Sie hat es also geschafft.
Der Kampf mit sich selbst, mit den Erwartungen von außen: Naemi Latzer macht ihn in einer Choreografie exzentrischer Körperbewegungen nachvollziehbar. Der Kampf zwischen den Generationen wird sichtbar in einem eindrücklichen Slow-Motion-Duett.
Persönlich und verletzlich präsentieren sich die beiden Künstlerinnen; die Alltagskleidung unterstreicht diese Wirkung. Das Setting: ein Plattenspieler, eine Videokamera, eine Leinwand und ein filigraner Vorhang im Hintergrund. Der rote Faden beider Lebensgeschichten sowie der Handlung in Carte Blanche zeigt sich nicht nur im Gesprochenen und Getanzten, sondern wird auch versinnbildlicht: Staub löst den roten Pullover, den Latzer trägt, langsam auf, später hält sie einen Babypullover in der Hand, den eine Kollegin für ihr Kind gestrickt hat. Am Ende der Aufführung sieht man in einer Videoprojektion, wie ein roter Faden aufgerollt wird.
Wer bin ich, was kann ich, was will ich werden? Staub und Latzer machen ihre eigenen Geschichten erfahrbar. Die Unmittelbarkeit und Direktheit ihrer Erzählweise wirkt auffordernd und vereint eine kritische Sicht aufs Künstler_insein mit der Ermutigung zum eigenen Traum(beruf). Wie kommt man zu dem, wofür man brennt? Laut Abschlusslied: „Keep on moving – you just try…“
Wiederaufnahme: 25.04.2013 – Konzerthaus Wien (Berio Saal)
Idee, Konzept, Choreografie, Darstellerinnen: Aurelia Staub, Naemi Latzer; Regie, Dramaturgie: Patric Blaser; visuelle Gestaltung: Andrea Zeitlhuber; Produktionsleitung: Regina Reisinger