„Der König mit den Eselsohren“ als Wiederaufnahme im Figurentheater Lilarum /// Timon Mikocki ///
Gespielt wird das Schicksal des Königs Midas, der erkennen muss, dass man Gold nicht essen kann. Der phrygische König bekommt, nachdem er geläutert in die Berge gezogen ist und sich dort in einem Musikerwettstreit für den Flötenspieler Pan eingesetzt hat, vom erzürnten Apollon Eselsohren aufgebrummt. Er versucht das Geheimnis zu verbergen, doch letztendlich flüstert es der Wind durch das Schilf, sodass jeder es hört: „König Midas hat Eselsohren!“
Als erster Eindruck fasziniert das Bühnenbild (Peter Ketturkat) und das meditativ eingesetzte Licht (Roman Hailing), überhaupt harmonisieren die gewählten Farben hervorragend. Der Gegensatz von städtischem Palast und Berglandschaft und von Tag und Nacht wird mit einfachsten Mitteln erzeugt, genauso wie die Vergoldungen simpel und doch überzeugend gelöst werden. Das gesamte Stück profitiert von reduzierten Feinheiten – ein gradueller Helligkeitswechsel, eine unscheinbare Geste, eine bedeutungsvolle Pause – die, wenn man sie bedeuten lässt, schöne Kontraste erzeugen. Die charakteristischen Holzfiguren sind richtige Kunstwerke und in ihrer rauhen Zeitlosigkeit schön. Und auch die musikalische Untermalung aus Harfe und Schalmei (Limpe Fuchs) und die sonore, vertrauensvolle Erzählerstimme (Wolfram Berger) tragen viel zum Verständnis bei, denn die Figuren selbst bleiben durchwegs stumm.
Der antike Mythos kann als Kapitalismuskritik gelesen werden und bleibt doch über weite Strecken ambivalent. Die Geschichte über Loyalität und Urteil wurde von Regisseur Ketturkat für Kinder ab vier Jahren auf ihre elementarste Ausformung heruntergebrochen. Am Ende steht keine endgültige Moral, keine platte Lebensweisheit und kein Imperativ, nur die bildhafte Darstellung symbolischer Gegebenheiten. Auch bei den früher mündlich tradierten Geschichten blieb die Interpretation zum Teil offen. Sowohl das junge als auch das nicht mehr so junge Publikum können die liebevolle Behandlung der Vorlage und die sehr kreativen Elementen des Spiels auf unterschiedlichen Ebenen rezipieren. Jedenfalls eine sehenswerte Vorstellung.
Uraufführung: 4. November 2005
Buch, Bühne und Regie: Peter Ketturkat; Puppen, Kostüme, Schneiderei: Peter Ketturkat, Sonia van Leuwen, Dorothea Kirsch; Sprecher: Wolfram Berger; Musikerin: Limpe Fuchs; Figurenspiel: Silke Graf, Silvia Lenz, Werner Malli, Joanna Proksch, Evgenia Stavropoulou-Traska; Licht: Roman Hailing