Name: Sophie Scholl – werk89 /// 15+ /// Timon Mikocki ///
Schwere Marmorwände, massive Holzstühle, auf denen normalerweise über die Freiheit von Menschen entschieden wird. Der goldene Bundesadler mit seinen Klauen und seinem strengen Blick auf das Landesgericht für Strafsachen, in dem, mitten in Wien, in den NS-Jahren 1200 Menschen zum Tode verurteilt wurden. Hier zeigt werk89 in Kooperation mit Dschungel Wien einen Monolog über zwei Frauen mit gleichem Namen.
Die reale Kulisse verleiht der One-Woman-Performance (beeindruckend vielstimmig: Suse Lichtenberger) fesselnde Ernsthaftigkeit. In alternierenden Schlaglichtern werden die Geschichten zweier Frauen erzählt, welche vordergründig nur ihr Name verbindet: Sophie Scholl dient als übergroßes Zeichen eines historischen Erbes. Sophie Scholl heißt im Gerichtssaal aber auch eine vom unmenschlichen Leistungsdruck der juristischen Ausbildung getriebene Studentin, die in der Gegenwart in einen Prüfungs-Betrugsfall gerät und kurz vor dem Abschluss eine folgenschwere Aussage machen muss. In der Doppelfigur liegt die Brillianz, aber auch die Problematik dieses zweifachen Reenactments.
Obwohl man regieseits beteuert, die beiden Figuren nicht vergleichen zu wollen (was sicherlich vermessen wäre), fördert die Engführung selbstverständlich Parallelen zutage. Einfacher ist es, von einem Bezugssystem zu sprechen. Als gemeinsames Thema des dennoch weiten Spagats dient das Konzept der Zivilcourage. Beide Figuren sind vor eine moralische Wahl gestellt. Die Entscheidung des Mitglieds der „Weißen Rose“, nicht klein beizugeben und auch in Erwartung des Todes seinen „aufrechten Gang“ zu bewahren, liegt für die jetzige Sophie außerhalb des Stückes, sie wird dem Zuschauer dramaturgisch clever als Denkaufgabe auf den Nachhauseweg mitgegeben. Das Stück endet, nach 70-minütiger, aufrüttelnder Wirkung, im Zeugenstand der gegenwärtigen Sophie. Zurück bleibt ein mehrfaches Fragezeichen.
Idee: Anna Müller-Funk, Autorin: Rike Reiniger, Regie: Melika Ramic, Spiel: Suse Lichtenberger