MIRJAM UND MYRIAM /// Dschungel Wien und Theater Koblenz /// 15+ /// Timon Mikocki 

–SMALLPressefoto_MIRJAM & MYRIAM © Ani Antonova (03)

Die Titelfrage hat Regisseurin Kummer veranlasst, Teile von Chatinterviews zu einem wirren Textstrom zu montieren, der eine irritierende Performance über das Spezifische am Girl-Sein antreibt. Erkennt man „das Mädchen“ an den kleinen Dingen in seinem Täschchen? Am Diminutiv? Daran, dass es am wenigsten Macht hat? Oder am rosa Kleid? Zuschreibungen. Die beiden Akteurinnen Mirjam und Myriam spielen sie dialogisch und mit Nachdruck in den Zuschauerraum, lassen Anhaftung aber nur an der Intensität, nicht an einer Definition gelten. Es dauert ein wenig, bis man realisiert, dass da keine „Geschichte“ entsteht. Atonale, beständige Musik hält inzwischen die Sprengsel zusammen und die Aufmerksamkeit auf der Bühne.

Als Requisiten ein Sackerl, ein Tisch, ein Stuhl und Esspapier. Schamlos chique Zeilen kokettieren mit Bedeutungsschwere, doch ohne Resolution: „Ich habe mein Leben verpluscht“, „Masturbieren hilft unbedingt“. M. und M. werfen sich ins Zeug, spielen furios, Aggression und Witz liegen nah beieinander. In den dringenden Szenen herrscht große Ambivalenz zwischen rosa und schwarz, zwischen verstörender Hysterie und persiflierendem Spaß. Das sieht man auch daran, dass im Publikum geschockte Mädchen neben prustenden Frauen sitzen, dieser Übergang scheint für das Gelingen wesentlich. Dogmatische Schreie, Publikumsinteraktionen, Raumeroberungen, ein sehr kreatives Horror-Märchen-Schattenspiel folgen aufeinander. Die zwei Frauen vollbringen versierte Tempo- und Stilumbrüche: Eine stille, schöne Szene, in der mit Ventilator und Sessel getanzt wird, dann wieder gesplatterte Texttiraden, dann eine schaurig wunderbare Begegnung mit Tiermasken. Das geht ein und befremdet. Schwere Kost, akustisch oft kaum verständlich. „Uncanny“, offen und anziehend, nicht belehrend, magnetisiert von den Körpern, Stimmen und Ausdrücken, fragend, anstrengend und flüchtig ist dieses Stück.

Am Ende hat man vom Mädchensein viel Gewaltiges gestreift. Daher auch die Warnung im Untertitel: Sieh dich vor, im Traum eines kleinen Mädchens gefangen zu sein! Mutig und ziemlich optimistisch vom Dschungel, so etwas für Fünfzehnjährige zu bringen, und immer gut, dass man kooperiert. Eine sehenswerte, moderne Performance, die vieles niederreißt, ohne gänzlich umwerfend zu sein, dabei gleichwohl schauspielerisch beeindruckt und einen irgendwo abholt, wo man gar nicht wusste, dass man war.

Text, Regie: Katharina Kummer | Musik: Karl Philipp Kummer | Bühne: Katharina Kummer, Jessyca R. Hauser | Regieassistenz: Jessyca R. Hauser, Christina Pröll | Kostüm: Sabrina Krämer | Masken: Hagen Tilp | Licht: Katja Thürriegl | Kinderstimme: Lotte Heinrich-Frank | Darstellerinnen: Myriam Rossbach, Mirjam Schollmeyer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert