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Krieg. Stell dir vor, er wäre hier. /// Theater Akzent /// MAZAB /// 12+ /// Timon Mikocki

In die Flüchtlingsdebatte, die derzeit vom Wort „Obergrenze“ bestimmt ist, schickt die Gruppe MAZAB ein Ein-Personen-Stück, dessen Text vor 12 Jahren auf Dänisch erschienen ist, der an seiner Aktualität aber nichts eingebüßt hat. Jane Tellers Buch, an dem nur ganz wenige Worte ausgetauscht werden durften, erzählt eine Fluchtgeschichte unter umgekehrten Vorzeichen: Eine Familie flieht vor dem Krieg aus einer zusammengebrochenen EU in das sichere Ägypten. Das Wechselbad der Gefühle, dem der jugendliche Protagonist beim Exodus ausgesetzt ist, wird in der zweiten Person wiedergegeben. Elisabeth Nelhiebel redet das Publikum direkt an. „Du fragst dich wohin. Du fühlst dich als Mensch zweiter Klasse. Du träumst von daheim.“ Die Du-Form des Textes ist intelligent, sie schafft Identifikation und hilft den Zuschauern, das Gefühlsleben von heutigen MigrantInnen nachzuvollziehen. Die Angst vor dem Neuen, die Sinnlosigkeit beim Warten auf Asyl, die Hoffnung auf ein bessereres Leben, die vielen Enttäuschungen bei der Aufnahme, die Fremdheit, das alles kann imaginiert werden, als wären es die eigenen Gefühle. Ruhig und chronologisch wird rezitiert, als Hilfsmittel dienen eine Videokamera, ein Tisch, ein Stuhl, ein Absperrband und ein CD-Player, aus dem die Musik der Hamburger „Ton, Steine, Scherben“ kommt. Der Text spricht aus sich heraus, der szenische Vortrag fügt nur Nuancen hinzu. Daran liegt es, dass man zwar interessiert zuhört, sich für eine Bühnenfassung aber mehr Aktion, mehr Dynamik, eine abwechslungsreichere Dramaturgie, Brüche und mehr räumliches Schauspiel wünscht. Zu banal wird der Text überliefert, die vielen Pausen erzeugen Leere und die wenigen illustrativen Elemente können die Monotonie nicht durchbrechen. Man merkt, dass das Stück für Klassenzimmer konzipiert wurde, auf der großen Bühne entfaltet es wenig Intimität. Das ist schade, hat der Text doch die Kraft, unsere derzeitige Situation als fast paradiesischen Zustand und unsere tagtäglichen Probleme als sehr klein erscheinen zu lassen. Im Theater ist man so dankbar für die Möglichkeit einer Einfühlung, nachhaltige Wirkung bleibt aber leider aus.

Darstellerin: Elisabeth Nelhiebel I Regie: Markus Steinwender I Musik: Ton Steine Scherben

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