Arachne oder vom Anfang des World Wide Webs
Verein zur Rettung der Dinge | Dschungel Wien | 10-15 Jahre
Bei diesem Figurentheater mit Livemusik hat man die Gelegenheit, in Erzählungen der griechischen Mythologie wie dem trojanischen Krieg oder der Odyssee einzutauchen. Entgegen möglichen Erwartungen bildet die Sage um die Weberin Arachne nicht das Zentrum der fünfzigminütigen Darbietung, sondern den Schluss. Die Auflehnung der jungen Frau gegen die Gött*innen wird mit der Arbeit von Investigativ-Journalist *innen in Verbindung gebracht: Sie lehnen sich gegen die Mächtigen, die sich falsch verhalten, auf, doch anstelle, dass das kritisierte Verhalten geändert wird, werden die kritischen Stimmen für ihre Ehrlichkeit verfolgt und bestraft – manche sogar mit dem Tod. Diese Enthüllung ist ein echter Wow-Moment, doch leider passiert darüber hinaus nicht mehr viel damit. (Freilich wird der Umgang mit Investigativ-Journalist*innen kritisiert, aber das war’s dann auch.)
Die Inszenierung und das Spiel lassen keinen Zweifel offen, dass hier Meister*innen ihres Faches am Werk sind: Jede Kleinigkeit ist effektvoll und perfekt auf die anderen Elemente abgestimmt. Besonders einprägsam ist das zentrale Requisit auf der Bühne: Eine Konstruktion, die an einen Webstuhl erinnert. An den Fäden hängen teilweise Gewichte, teilweise Puppenköpfe, die während des Spiels die griechischen Göttinnen Athene, Aphrodite und Hera darstellen. An der Rückseite ist eine Leinwand montiert, auf die das im Vorfeld aufgezeichnete Puppenspiel projiziert wird. Um der griechischen Armada auf dem Weg nach Troja Platz zu bieten, wird die Leinwand etwas angehoben, wodurch sie an ein Segel erinnert. Die musikalische Begleitung gibt dem Bühnengeschehen Gewicht und trägt wesentlich zu der epischen Atmosphäre bei.
Der alte Stoff wird spannend neu interpretiert. Dabei enthält der Text immer wieder Sätze, die beiläufig vorgetragen und einen doch aufhorchen lassen, etwa: „Athene, die Göttin der Weisheit, steht in Wien vor dem Parlament, aber sie sitzt nicht drinnen.“ oder gegen Ende des Stücks: „Die Götter sind gegangen, aber viele Mächtige spielen noch immer ein böses Spiel.“ Aufgrund der gehobenen Sprache und der komplexen Thematik empfiehlt sich das Stück wohl eher für junges Publikum, das näher an der oberen Grenze der Altersempfehlung ist anstelle der unteren.
Arachne oder vom Anfang des World Wide Webs ist eine meisterlich inszenierte Erzählung griechischer Sagen, die zum Schluss aufzeigt, welche Relevanz die antiken Erzählungen bis heute haben. Sehenswert!
Mit: Peter Ketturkat, Karin Bayerle, Benedikt Etzl | Konzept & Bühne: Peter Ketturkat | Puppen: Karin Bayerle | Musik: Jon Sass, Benedikt Etzl | Sprecher*innen: Michou Friesz, Wolfram Benger | Puppenregie: Andrea Gergely | Video & Fotos: Thomas Keip