(c) barbara pálffy
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La Línea: Der Traum vom besseren Leben /// KILLA Die Kultur/Nah/Versorger /// Dschungel Wien /// 13+ /// Timon Mikocki 

Ein Stück, das den Nerv der Zeit trifft. Dabei handelt es sich bei den Porträtierten nicht um Vertriebene aus dem Nahen Osten. Die bereits 2008 in den USA erschienene Romanvorlage erzählt vom jungen Mexikaner Miguel, der rückblickend seine Flucht aus einer perspektivlosen Kleinstadt schildert. Seine Eltern sind vor Jahren nach Kalifornien ausgewandert, erst an Miguels 15. Geburtstag bekommt er das nötige Geld, um nachzufolgen. Dafür muss er auf „die Bestie“ aufspringen, den Zug, der Mexiko von Süd nach Nord durchquert. Und es über die Linie schaffen, die zwei Welten trennt. Eine spannende, laute, poetische und sehr rührende Darstellung bahnt sich den Weg in unsere Sinne, ohne Halt.

Als wäre die Flucht nicht schon schwierig genug, merkt Miguel erst nach der Abreise, dass ihm seine Schwester gefolgt ist – die Zerrissenheit zwischen vorantreibendem Fluchtwillen und bremsendem Zusammenhalt wird zum Überlebenskampf.

Unterdessen wird die Geschichte von zackigen Szenenwechseln vorangepeitscht. Blitzschnell muss es gehen, auch wenn viele Gefahren im Weg stehen. Als Hilfsmittel reichen den vier energetischen DarstellerInnen, die oft die Rollen wechseln, zwei Kleiderstangen, eine Stellage, Projektionen und Kostüme. Sehr gelungen sind die in schwarz-weiß gebrachten Nacherzählungen von wirklich gestorbenen Flüchtlingen. Simple Effekte haben starke Wirkung: Eine Umdrehung, Lichtwechsel, und der Tod steht vor der Tür. Das Publikum muss einiges ertragen, u.a. eine Vergewaltigungsszene und grauenvolle Fakten, aber das kann nicht zuviel sein, denn „tragischer als die Realität kann das Theater nicht sein“, wie es eine Schauspielerin nach dem Stück kommentiert.

Hier ist etwas Bewegendes entstanden. Nicht nur angesichts der knappen Probenzeit von nur fünf Wochen ist das bemerkenswert. Sollte dieses Stück nicht eher von Irakern, Afghanen und Syrern handeln? Lenkt der ferne Schauplatz nicht womöglich vom Elend vor unserer Haustür ab? Dieses Stück erzeugt so viel Empathie, dass die Frage irrelevant scheint. Eine große Empfehlung für Lehrpersonal und alle Jugendlichen, vor allem jene mit Vorurteilen.

 

Autorin: Ann Jaramillo | Dramatisierung: Isabel Osthues, Matthias Grön | Regie: Markus Emil Felkel | Ausstattung und Lichtdesign: Vanessa Achilles-Broutin | Dramaturgie: Clemens Pötsch | Projektionen: Ingo Achilles | Aufführungsrechte: Verlag für Kindertheater Weitendorf GmbH, Hamburg | DarstellerInnen: Pilar Aguilera, Stefanie Darnesa, Deniz Baser, Benjamin Plautz

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