Fremdenzimmer /// Dschungel Wien /// werk 89 /// 12+ /// Elisabeth Hochwarter
Auf Teppichen und Bänken auf der Bühne des Dschungel Wien hat das Publikum Platz genommen; nicht gerade einladend, lange zu verweilen. Vor den Sitzstufen stehen ein Ledersofa und weiter rechts ein Couchtisch mit Sesseln. Hier nehmen die Schauspieler Platz. Auf Augenhöhe mit dem Publikum.
„Fremdenzimmer“ vom Theaterkollektiv werk 89 in Zusammenarbeit mit Flüchtlingen wechselt gewohnte Perspektiven. Die Schauspieler bewegen sich unter der Regie von Michael Alexander Pöllmann durch das Publikum und sprechen es direkt an. Grenzen werden abgetragen: zwischen Bühnen- und Zuschauerraum, zwischen Rolle und Identität, zwischen Fiktion und Authentizität. Die meisten Darsteller haben als Schauspieler, Musiker oder Tänzer Bühnenerfahrung.
Gintas Jocius, Ensemblemitglied des Jungen Theaters Göttingen, spielt wie alle anderen sich selbst und schlüpft zwischendurch in die einzige Rolle eines Außen: eine Personifizierung des Staatsapparats, eine Mischung aus Beamtentum, Militär und Polizei. Für die Flüchtlinge heißt es: Warten. Warten. Warten. Fragen über Fragen. Misstrauen. Und wieder: Warten. Warten. Warten. Aufgelockert wird das Warten durch Erzählungen, Tanz, Musik, Kochen, das Feiern von Festen. Und auch hier gilt es Brücken zu schlagen: zwischen eigenen Bräuchen und den fremden.
Berührend und aufrüttelnd sind Erzählungen über die Flucht, wie die von Hamayun Mohammed Eisa. Sein Bruder und er wurden von Mujahedin entführt. Bei der Flucht ins Gebirge musste er seinen Bruder zurücklassen. Er starb.
„An allem sind die Fremden Schuld“ singen alle am Ende zur Melodie der Arie Habanera aus Carmen. Ironie ist ein Ausweg aus dem unmenschlichen Zustand des Wartens in einem Fremdenzimmer – nach dem oft tragischen Verlust der Heimat. Ein anderer ist das gemeinsame Feiern und so sind nach dem Stück alle zu einem kleinen Essen eingeladen. Wie heißt es doch so schön: Beim Essen kommen die Leute zusammen!
Idee, Konzept, Regie: Michael Alexander Pöllmann | Dramaturgie, Schreibwerkstatt: Flo Staffelmayr | Künstlerische Assistenz: Christine Beinl | Theaterpädagogik: Christina Rauchbauer | Ausstattung, Grafik: Amelie Loy | Musik: Theda Schifferdecker | mit: Mahsa Ghafari, Ana Grigalashvili, Hamayun Mohammed Eisa, Gintas Jocius, Alireza Daryanavard, Salaheddine Najah | Dokumentation, Foto: Marija Jociute | Produktionsleitung, Kommunikation: Simon Hajós | Produktionsassistenz: Julia Hutter
Eine werk89 Produktion unter der Schirmherrschaft der österreichischen UNESCO-Kommission.
In Zusammenarbeit mit Ute Bock/Bock auf Kultur, PROSA – Projekt Schule für Alle, der Brunnenpassage und dem Dschungel Wien. Mit Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien und dem Bundeskanzleramt für Kunst und Kultur.