Drei Stücke an einem Abend. Obwohl die angekündigten 50 Minuten pro Inszenierung doch etwas untertrieben sind, ist das durchaus machbar. Ist aber natürlich kein Muss. Ein jedes steht für sich und kann/soll/will auch als ein solches angesehen werden. Das, was sich durchzieht, das ist Shakespeare. Drei Bearbeitungen von Shakespeare Stücken für ein junges Publikum. Studierende der Konservatorium Wien Privatuniversität aus dem zweiten Jahrgang der Studiengänge Schauspiel und Zeitgenössische Tanzpädagogik sollen hier den Umgang, die Arbeit mit eben einem solchen Publikum erfahren können. Das ist eine tolle Sache, und die Tatsache, dass daraus gleich drei Stücke für unterschiedliche Altersstufen entstanden sind, die macht das Ganze auch zu einer tollen Erfahrungsmöglichkeit für das Publikum.
Heinrich der Fünfte /// Studierende des 2. Jahrgangs des Studiengangs Schauspiel der Konservatorium Wien Privatuniversität /// 6+ /// Dschungel Wien /// Theresa Luise Gindlstrasser ///
Der Abend beginnt mit „Heinrich der Fünfte“. Dieser König von England will, nachdem er erfahren hat, dass seine Vorfahren irgendwann mal Anspruch auf den Thron des reichen, schönen Landes Frankreich hatten, eben dort einmarschieren und von allen Vorzügen profitieren. Die Frage, ob wir uns denn einen Krieg einfach so anschauen können/sollen/wollen, die liegt schon in der formalen Struktur des Textes offen zu Tage. Drei Schauspielerinnen nehmen wechselseitig die Rolle von Erzählerinnen ein, die das Geschehen kommentieren, den Fortgang der Geschichte vorantreiben und längst schon wissen, wohin koloniale Bestrebungen und fiktive Machtansprüche führen werden. Nämlich in die Zerstörung. Der Dinge und der Menschen.
Eine rasante Inszenierung die Kriegsgeschehen mittels Luftballons auf die hell erleuchtet, also gar nicht gruselige, Bühne bringt. Die Requisiten aus Pappmasche zeigen das Papier einer österreichischen Tageszeitung. Ja, weil die Medien, die spielen da wohl auch eine nicht zu kleine Rolle. Szenen in denen das Verhältnis der Schauspielenden zum Text und zum Geschehen erläutert wird, folgen auf Szenen in denen das Kriegsgeschehen vor sich hin lärmt, folgen auf Szenen in denen die Trauer, Melancholie und Sinnlosigkeit dieses Krieges in Erscheinung treten. Immer wieder dazu Amélie-Soundtrack. Und am Ende kann es scheinen, als wäre alles nur geträumt, und alle hätten klar gesehen: make love, not war.
Liebe und Krieg /// Studierende des 2. Jahrgangs des Studiengangs Schauspiel der Konservatorium Wien Privatuniversität /// 12+ /// Dschungel Wien /// Theresa Luise Gindlstrasser ///
Bei „Liebe und Krieg“ wird das immer schon beides gemacht. Eben: Liebe und Krieg und was der eine aus der anderen zu machen im Stande ist. Troilus liebt Cressida, und sie liebt auch ihn, aber dann muss sie weg aus Troja, wird zu den Griechen abgeschoben. Diese Bearbeitung von „Troilus und Cressida“ von Dietrich Trapp zeigt die Schwierigkeit von Treue und Liebe in Zeiten, wo Menschen eigentlich zu Kriegsmaterial werden. Dabei ist es vor allem die Figur der Cressida, die nebenbei auch noch alle möglichen Rollenbilder zu Sprache bringt.
Heißt erobern wirklich beherrschen und lässt sich diese Kriegsfigur einfach auch auf zwischenmenschliche Beziehungen umlegen? Das Ganze beginnt als Choreographie der Männer in Rüstung. Dicker Nebel liegt über dem Geschehen und sie wiederholen die Worte: „Eitelkeit, Tapferkeit, Ehre und Stolz“. Aber mit schwermütigen Überlegungen in Richtung: ist Krieg bloßes Eitelkeitsgehabe irgendwelcher Männer, und ist Liebe etwas das per se mit Treue zu tun hat?, hält sich die Inszenierung nicht lange auf. Es ist dies eine Komödie, und die wird durchgezogen und nie unterbrochen. Besonders amüsant: Die minutenlangen Übertrumpfungsversuche zweier Figuren, wer denn der Bessere, der Männlicherer, der Tollere sei. Was zunächst im Kräftemessen besteht, wird dann zum Jonglieren, zum Beat-Boxen um endlich in gegenseitige Anerkennung umzuschwenken. Das ist großartig komisch. Und: „Die Moral von der Geschicht, die gibt es nicht!“.
War Game /// Studierende des 2. Jahrgangs des Studiengangs Zeitgenössische Tanzpädagogik der Konservatorium Wien Privatuniversität /// 6+ ///Dschungel Wien /// Theresa Luise Gindlstrasser ///
Die Moral hat ihr Zuhause nämlich im dritten Stück. „War Game“, das ist eine Stückentwicklung von Studierenden der Zeitgenössischen Tanzpädagogik im Ausgang von Shakespeare Zitaten zum Thema Krieg. „Mord rufen und des Krieges Hund entfesseln“, steht da zum Beispiel auf einem der vielen Tische ,die auf der Studiobühne im dschungel das Bühnenbild geben. Mit diesen Tischen werden Räumlichkeiten etabliert und wieder zerstört, werden Choreographien versucht, die der Härte und Unhandlichkeit eines solchen Tisches entsprechen. Die fünf Darstellenden machen mal lautes Militärgestampfe, dann raketenverzücktes Gezucke, dann Kampfposen in denen eindeutig das eins zu eines zweier Gegner im Vordergrund steht.
Dazu kommen Live-Video, Ego-Shooter Schnipsel und Aufnahmen aus TV und youtube. Da sehen wir reale Kriegsszenerien. Sehen Raketen durch den grün leuchtenden Nachthimmel fliegen, sehen Demonstrationen, Menschenmassen in irgendwelchen muslimisch geprägten Ländern, sehen Polizeigewalt, sehen Terror, sehen Krieg, auch wieder in irgendwelchen muslimisch geprägten Ländern. Da werden Dinge aneinander gereiht, die nur in äußerster Naivität aneinander gereiht werden können. Krieg ist nicht Rangelei zwischen zwei, nur ein bissi größer. Krieg ist nicht etwas, das mit irgendwelchen muslimisch geprägten Ländern gleichzusetzen wäre. Krieg ist nicht mit dem schönen Satz, der so, oder so ähnlich vom Band kommt, als Schreckensgespinst an die Wand zu malen: „Naja, ich kann das ja gar nicht verstehen, aber Mitgefühl kann ich schon haben und ich verstehe gar nicht warum es noch immer Krieg gibt, obwohl wir doch alle wissen wie schlimm das ist.“ Guter Wille hin oder her, und ja, Krieg ist schlimm, genau deswegen sollte am Anfang einer Stückentwicklung die Abwendung von naiven, moralisierenden Klischees stehen.
Heinrich der Fünfte /// Text: Ignace Cornelissen, Regie: Frank Panhans, Ausstattung: Vanessa Achilles-Broutin, Mit: Anatol Käbisch, Florian Appelius, Naemi Latzer, Anna Woll, Maresi Riegner Liebe und Krieg /// Text: Dietrich Trapp, Regie: Markus Emil Felkel, Ausstattung: Vanessa Achilles-Broutin, Kampfcoach: Mel Stein, Mit: Valentin Postlmayr, Katharina Farnleitner, Deniz Baser, Katharina Stadmann, Noah Saavedra War Game /// Künstlerische Gesamtleitung: Nikolaus Selimov, Dramaturgische Mitarbeit: Manfred Aichinger, Ausstattung: Vanessa Achilles-Broutin, Choreographie/Tanz: Dorothea Altenburger, Monika Demmer, Clarissa Friedrichkeit, Lena Pirklhuber, Martin Wax