Frei nach Nils Holgersson von Selma Lagerlöf /// C. Bühlmann und Ensemble /// Akzent /// 6+ /// Timon Mikocki
Der schwedische Roman, dessen Charaktere den meisten wohl eher aus der japanischen Zeichentrick-Adaption bekannt sein dürften, gerät am Theater in Darstellungsverlegenheit.
Klassisches narratives Kinderbuch-Konstrukt: Fantasievolles Kind strenger Eltern durchlebt in spielerischen Gedanken eine eskapistische Heldenreise. So in Alice im Wunderland, Valerie und die Gutenachtschaukel, Peter Pan, Wo die wilden Kerle wohnen, etc. zugrunde gelegt. Nils Holgersson wird zum Däumling, fliegt mit den Gänsen um die Welt und überwindet die „Bösen“: den Fuchs, den Hund, die Arten-Unterschiede, die eigene Angst.
Dargestellt wird das von einem souveränen Hauptdarsteller, der unter verschiedenen anthropomorphen Tieren seiner Entwicklung nachgeht. Ein Reiz der Aufführung sind die unterschiedlichen Ebenen: Videoprojektionen zeigen das Fliegen. Schattenspiele das unbewusste Grauen. Klaviermusik harmonisiert die Abschnitte, Live-Percussion setzt Akzente. Und die adeligen Graugänse schnattern mittels Kastagnetten. Die Kostüme und Props sind dabei wichtig. Die Krux vieler Kinderbuch-Inszenierungen liegt in der Darstellung der Tiere durch Menschen und in der Übertragung von Eigenschaften; Besonders erfreulich sind hier die Charaktere Bär und Fuchs gelungen – an Wes Anderson angelehnt ist letzterer schön ambivalent und im körperlichen Ausdruck seiner Persönlichkeit beeindruckend versatil. Die anderen Tiere wissen weniger zu überzeugen – die Hausgans Martin ist ein eher blasser bester Freund – zumindest merkt man ihren Sprech- und Spielweisen aber den Ausformungswillen an.
Der eher klassischen Inszenierung hätte mehr moralische Tiefe oder ein einheitlicherer Grundimpuls gutgetan. Einzelne Problemstellungen näher zu beleuchten und die Lehren stärker herauszustreichen, hätte wohl stärkere emotionale Wirkung erzeugt. Und die poetische Reise in die Gefilden der Kindheit auf kongruenteren Ebenen auszuspielen, hätte auch geholfen. Denn obwohl in der Vielschichtigkeit der Reiz der Abwechslung liegt, kommen Licht, Musik, Spiel, Kostüme und Handlung hier zu selten und zu wenig natürlich zu einem schlüssigen Ganzen zusammen.
Künstlerisches Team; Florian Feik: Nils; Jessica Lombardi: Yksi; Daunenfein, Bärenkind; Laetitia Lang: Akka, Hund; Laura Zapata: Martin, Gorgo, Mutter, Bärenkind; Max Konrad: Fuchs, Bär, Vater; Musik: Ben Hofer, Laetitia Lang, Max Konrad; Tierstimmen: Claudia Bühlmann, Dorothea Bauer, Florian Feik, Jessica Lombardi, Laura Zapata, Laetitia Lang, Max Konrad, Peter Horvat; Tonaufnahmen und Bearbeitung: Peter Horvat; Film: Wolfgang Herzel; Kostüme: Eszter Gulyás, Maria Suarez Ramos; Requisite: Karin Buchacher, Theresa Teschler; Regieassistenzen: Karin Buchacher, Theresa Teschler; Fassung, Inszenierung: Claudia Bühlmann