Schwieriges Thema /// Stückentwicklung / Eigenproduktion /// Kosmos Theater /// Timon Mikocki
Schwieriges Thema: Pubertät. Wobei die Schwierigkeit in der Stückentwicklung als Sprungbrett für leichte, implodierend komische Sketches am Rande der Absurdität benützt wird. Weder Schauspieler*innen noch Publikum sind hier im besprochenen Alter. So geht es um eine rückblickende Einfühlung und positive Konnotation dieser Zeit. Am Beginn starren wir auf ein Baustellengerüst; und in die Augen von vier Held*innen, die einen rasanten und durch vielsagende Auslassungen gekennzeichneten Text vom Stapel lassen. Über die Figur der überschwänglichen Körperlichkeit, der Masturba-, Transforma- und Mutation kämpfen die zwei Frauen und zwei Männer um Integration und Verbindung der sich verselbstständigenden Gedanken und Gliedmaßen. Kreative Props, die durchwegs aus Plastik sind, verdeutlichen symbolisch die Kreatürlichkeit dieser Lebensphase und erzeugen eine industrielle Baumarktästhetik. Verrenkungen, Käfige, konkurrierende Ebenen werden durch die einfache, aber vielseitige Bühne hergestellt. Getragen wird die Aufmerksamkeit vom wunderbar kongruenten Spiel, das umso erstaunlicher ist, je öfter die Personen ihre Rollen wechseln und dennoch nicht straucheln. Dabei folgen wir keiner stringenten Erzählung, auch keinen festgesetzten Charakteren, sondern Situationen, die allesamt das “zelluläre Chaos” vor dem Erwachsenenstadium ausdrücken: “Jedes Mal, wenn ich in den Spiegel schaue, bin ich wer anderer.” Insektenkörper und das Mittelalter, Elternzwang und Berauschung, Peinlichkeit, alles wird assoziativ zum Thema vorgespielt, als parallele Wahrheiten serviert, ohne erschöpfend erklärt zu werden. Der Theatergrundsatz “show, don’t tell” funktioniert hier über Objekthumor hervorragend. Während der Umbauphasen dürfen wir außerdem emotionalen Coverversionen von bekannten Songs zuhören, die das Schwallhafte des Abends verstärken.
Herausragend bei allen diesen Ebenen und Überlegungen ist der lautmalerische Text, der von der Pubertät ausgehend oft nur durch Andeutungen, Umschreibungen und weit ausufernde Metaphorik eine allgemeine Krise andeutet: Eine Phase voller herausstechender Körperlichkeit, voller Offenporigkeit, Unsicherheiten, Überraschungen, und auch ein Erkennen der Stärke, Unabhängigkeit und Intensität. Und sich dabei politisch, philosophisch, fordernd hin zu einem Plädoyer für die Ziellosigkeit und zu einer Feier der nicht festgeschriebenen Gestalt fortbewegt. Ernst ist das Stück selten, auch tragisch nur zur Probe, über allen anderen Emotionen stehen die satirische Lust und Lustigkeit der Körper. Die Reaktionen des Premierenpublikums teilen sich in prustende Lacher und staunendes Schweigen. Bitte mehr von diesem Ensemble, und mehr von dieser Sprache.
Text: Milena Michalek & Ensemble; Regie: Milena Michalek; Bühne und Kostüm: Jonathan Penca; Musik: Yvi Philipp; Regieassistenz: Linda Schwärzler; Bühnenbildassistenz: Wolfgang Matuschek; Mit: Lukas Gander, Claudia Kainberger, Anne Kulbatzki, Mehmet Sözer