Don Quijote. Von Rittern, Eseln und anderen traurigen Gestalten.

von NEXT LIBERTY │ Theater Akzent │ 11+ │ Anna Bauer

Ein Selfie mit Don Quijote? Absurd. Schließlich halten ihn alle, inklusive seiner Idee Ritter zu werden, für bescheuert. Don Quijote (Martin Brachvogel) ist das egal, flugs kürt er den Nachbarn Sancho Panza (Helmut Pucher) zu seinem Knappen und zieht mit ihm durch die Welt. Wagemutig bestehen sie gemeinsam Abenteuer, kämpfen gegen Schafe und Windmühlen und versuchen das holde Burgfräulein Dulcinea de Tobosco von einem bösen Fluch zu befreien. Schließlich wird ein Roman über Don Quijotes Abenteuer veröffentlicht und aus der Spottfigur ein Held. Von da an drängen sich auch immer mehr moderne Gegenstände in die Handlung. Im Hintergrundvideo rauschen LKWS auf der Landstraße entlang, im Zweikampf kommt die Motorsäge zum Einsatz und schlussendlich wird auch das Handy von einem Fan gezückt. Selfie-Session.

Mit der Inszenierung von Don Quijote nach einer Bühnenfassung von Bernhard Studlar beweist die Gruppe aus dem „Next Liberty“ großes komödiantisches Geschick. Beim Gastspiel im Theater Akzent wird mithilfe einfacher Slapstick-Elemente und Wortwitzen aus verstaubtem Weltliteraturstoff ein Bauchmuskeltraining. Dem Pfarrer zieht man den Stuhl unterm Hintern weg, aus Don Quijote wird Don Karotte, im Gasthaus servierte man schon Running Tapas und All you can Mancha. Dass man der Handlung, so temporeich wie sie ist, nur bedingt folgen kann, wenn man das don quichotische Abenteuer nicht schon bereits im Vorhinein kennt, ist deshalb beinahe zu verschmerzen. Ewig schade bleibt aber, dass die Anspielungen auf wirkungsträchtige Literaturgeschichte des Romans, wenn auch wundervoll subtil und gekonnt gesetzt, doch ein gewisses Fachwissen voraussetzen.

Neben der Komik ist es vor allem die Geräuschkulisse, die beeindruckt. Zum Szenenwechsel gibt es spanische Flamencomusik, der Ritt auf unsichtbarem Pferd und Esel wird mit lautstarkem Hufgeklapper begleitet und der Barbier darf zu Beatbox-Klängen auftreten. Gesungen, gebeatboxt und gehufgeklappert wird dabei alles live. Der Bogen zur Gegenwart wird mit Despacito-Gesangseinlagen und modernen Tanzelementen gezogen. Fortnite lässt grüßen. Don Quijotes Gegner, die Schafe und Windräder, werden über die Videoleinwand im Hintergrund auf die Bühne transportiert. Diverse Kampfszenensind dabei unglaublich liebenswürdig gestaltet. Man tupft sich mit den Handschuhen auf den Kopf oder zieht die Ohrenfeige meilenweit an Don Quijote vorbei. Als sich Don Quijote im Versuch die Video-Schafe zu besiegen auf der Bühne dreht, muss das Publikum dann aber doch attestieren: cringe.

Insgesamt ist mit „Don Quijote. Von Rittern, Eseln und anderen traurigen Gestalten“ eine amüsante und liebevoll gestaltete Neubearbeitung des bekannten Ritterromans gelungen. Ein Hoch auf die Freundschaft, die Fantasie und den Mut man selbst zu sein!

Inszenierung: Daniel Doujenis │ Ausstattung: Vibeke Andersen │ Video: Roland Renner │ Musik: Reinhold Kogler │ Geräuschakrobatik: Ensemble │ Lichtgestaltung: Michael Rainer │ Dramaturgie: Tanja Peball │ Regieassistenz: Lena Elsa Truppe │ Es spielen: Martin Brachvogel, Yvonne Klamant, Christoph Steiner, Martin Niederbrunner, Helmut Pucher, Simone Leski, Lisa Rothardt │  Aufführungsrechte: henschel Schauspiel Theaterverlag Berlin │ Foto: Stella

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert