Salome
Augentheater der Zukunft │Dschungel Wien │ 16+ │ Anna Bauer
Es ist schon schwer auszuhalten. Salome (Lea Witeschnik) tanzt im roten Minikleid für den Stiefvater (Filipp Peraus), der den ganzen Abend über weder Finger noch Augen von ihr lässt. „Blick sie nicht an.“, hat die Mutter (Rebecca Richter) ihm zuvor noch befohlen, aber was kümmert es ihn schon, was ein Weib spricht? Schließlich setzt sich der Stiefvater auf einen Sessel und Salome beugt sich zu ihm hin, beugt sich seinen Wünschen. Das Bühnenlicht düster rot. Man möchte schreien, weglaufen, den Stiefvater zur Rechenschaft ziehen und schließlich beleibt man doch nur starr sitzen. Vor Entsetzen.
Mit „Salome“ bringt das Augentheater der Zukunft ein Theaterstück von Oscar Wilde in einer Fassung von Sebastian Kranner auf die Bühne im Dschungel Wien. Es ist nicht per se eine jugendliche Emanzipationsgeschichte, wie die Kurzbeschreibung des Stückes angibt, sondern vielmehr ein komplexes Ausverhandeln von Macht und Ohnmacht, Schuld und Unschuld. Wer ist Täter*in, wer ist Opfer und kann es solche eine klare Differenzierung in einem dysfunktionalen Beziehungsgeflecht überhaupt geben?
Im Mittelpunkt der Handlung steht Salome. Prinzessin, Tochter, Lustobjekt. Die Mutter, Herodias, ist zwar körperlich anwesend, für Salome interessiert sie sich kaum. Die schmierigen Anmachversuche ihres zweite Ehemanns an Salome versucht sie bloß mit einem „Ich erlaube das nicht.“ zu unterbinden.“ Der Stiefvater wiederum weiß seine Machtposition als König gezielt zu nutzen und lässt keine Möglichkeit aus Salome zu begrapschen und anzustarren. Und dann ist da noch Johanaan (Colin Johner), – Prophet und hübscher Jüngling – dessen Körper Salome begehrt. Küss mich, verlangt sie von ihm. Der Prophet aber weigert sich. Aus dem Opfer sexueller Belästigung wird daraufhin eine Täterin.
Die düstere Stimmung der Handlung wird durch gezielt eingesetztes Bühnenlicht noch verstärkt. Grün und Rot flackert es da auf der Bühne. Aus den Lautsprechern dringt immer wieder eine roboterhafte Stimmung. Es ist klar: das hier wird kein gutes Ende nehmen. Verstärkt wird dieses Gefühl von der vielfachen Symbolik, die in das Stück eingewoben ist. Engelszahlen, Apfel, Blut. Manchmal weiß dadurch nur leider nicht mehr recht, worauf man achten soll. Vor allem, wenn dann auch noch die Live-Kamera, wenn auch sehr gekonnt geführt von Andrea Gabriel, nebst diversen Bühnengeschehen Detailausschnitte auf eine weiße Leinwand im Hintergrund projiziert. Und auch der Page (Hannah Rehrl), Schutz- und Racheengel im neongrünen Kleid, wirkt, insbesondere in den Familienszenen, manchmal etwas fehlplatziert. Schlussendlich ist man dann aber doch froh, dass er da ist, der Page. Drückt Hannah Rehrl doch mit Mimik und Gestik gekonnt das unaussprechliche Entsetzen des Bühnengeschehens aus und verleiht so Salome, die viel zu oft stumm bleibt, eine Stimme des Widerstands.
Eines ist sicher: „Salome“ lässt einen nicht mehr so schnell los. Dem Augentheater der Zukunft gelingt damit ein Stück, das unter die Haut geht. Gerne mehr!
│Fassung: Sebastian Kranner │ Inszenierung: Sebastian Kranner │ Ausstattung: Laura Hörmann │ Video, Live-Kamera: Andrea Gabriel │Dramaturgie: Anna Blei │Anfertigung Bühnenbild: Katja Banovic │ Regieassistenz: Isabelle Papst │Ausstattungsassistenz: Lioba Libardi │Regiehospitanz: Susanna Schlesier │Videohospitanz: Malva Dziubas │Schauspieler*innen: Hannah Rehrl, Rebecca Richter, Lea Witeschnik, Colin Johner, Filipp Peraus │ Sujet: Andrea Gabriel │ Szenenfotos: Barbara Pálffy│