Anders nach Andreas Steinhöfl
Auf den Punkt.Kulturverein | Akzent Theater | ab 12 | von Lisa Müller
Es wird getuschelt im Dorf. Schließlich hat sich ein Wunder ereignet: Felix Winter ist nach einem schrecklichen Unfall aus dem Koma erwacht. Doch nicht alle freuen sich darüber, denn das bedeutet auch, dass gut gehütete Geheimnisse ans Licht kommen… Währenddessen sind Felix Eltern damit konfrontiert, dass ihr Sohn sich nicht mehr an sie erinnert. Für Felix beginnt eine Reise zu sich selbst. Er hat sich verändert, ist nicht mehr der Junge von früher. Er ist anders und wählt deshalb auch einen neuen Namen: Ab jetzt heiß er Anders.
Wischenbarts Inszenierung von Andreas Steinhöfls Roman ist dank der herausragenden Leistung des Ensembles und dem innovativen Bühnendesign (Vanessa Eder Messutat) künstlerisch ansprechend und befasst sich mit Themen wie Identität und Selbstfindung auf hohem Niveau. Damyan Andreev als Felix/Anders nähert sich auf hervorragende Weise der Rolle eines sinnsuchenden, entwurzelten Kindes an. Durch sein einfühlsames Spiel bewahrt er die Glaubwürdigkeit seiner Figur, die bei einem weniger fähigen Darsteller bei der nicht altersgemäßen Besetzung verloren gegangen wäre. Dabei nutzt er nicht nur sein Repertoire des klassischen Bühnenspiels, sondern stellt auch seine Erfahrungen im filmischen Bereich unter Beweis: In besonders introspektiven Momenten, sprechen die Schauspieler in eine Kamera. Die Aufnahme wird dabei live auf zwei Leinwände übertragen. Dies ist nicht nur innovativ, sondern ermöglicht dem Publikum sich näher am emotionalen Geschehen der Protagonisten zu fühlen. Andreevs Performance ist auch hier tiefgehend und überzeugt auf ganzer Länge.
Wie auch im Roman werden viele Handlungsstränge angerissen und dann abrupt abgebrochen. Dieses Konzept wird durch die szenische Gestaltung verdeutlicht und gelingt durch die gezielte Verwendung von weißem Licht, das mit dem dunklen Bühnenambiente kontrastiert. Der Höhepunkt einer Szene wird meistens künstlich verzögert, indem das Licht plötzlich ausgeht und die Schauspieler ihre Positionen wechseln. Oftmals dient dies auch der Neuorientierung der Handlung. Leider wird das Konzept teils zu stark ausgereizt und verliert dadurch an seiner Wirkung. Ein sparsamerer Einsatz wäre diesem Stilmittel zu Gute gekommen.
Das Erzähltempo des Stücks ist langsam. Es lebt davon, wie sich die einzelnen Szenen nach und nach ergänzen, um letztendlich ein vielschichtiges Bild von den komplexen Beziehungen zwischen den Protagonisten zu zeichnen. Insbesondere die scheinbar heile Familiendynamik der Winters wird hier immer weiter aufgedeckt und zeigt eine Familie, die bereits vor Anders Unfall zerrüttet war. Das Stück hätte sich auch für das Ende noch etwas mehr Zeit nehmen können, um gewisse Details besser darzustellen und auszuerzählen. So wirkt beispielsweise die Szene in der Anders von seinem Schulkameraden vorm Ertrinken gerettet wird, zunächst verwirrend. Es fehlt der Kontext, der beispielsweise durch den Einsatz von Requisiten gewährleistet werden könnte.
Wer bin ich? Was macht mich aus? „Anders“ verhandelt diese zentralen Fragen des Heranwachsens mit viel Feingefühl. Diese Inszenierung des Jugendromans wagt sich an interessante technische Stilmittel und profitiert insbesondere von der ausgezeichneten Leistung ihres Hauptdarstellers.
für die Bühne bearbeitet von Anne Bader unter Mitarbeit von Katrin Maiwald | Produktion: Auf den Punkt. Kulturverein | Produktionsleitung / Regie / Inspizient: Florian Wischenbart | Assistent:innen / Inspizient:innen: Peter Monoki, Barbara Pillinger | Bühne & Videodesign: Vanessa Eder Messutat |
Anders / Felix: Damyan Andreev
Ben / André / Erzähler 1: Maximilian Modl
Romy / Sabine / Wickert / Erzählerin 2: Lisa-Carolin Nemec
Nisse / Stack / Erzähler 3: Adrià Just-Font
Melanie / Frau Heinsl / Erzählerin 4: Birgit Linauer
Gesang: Laurin Orlando Franek, Noah Fida