Antigone
Theater Akzent | Claudia Bühlmann mit Ensemble und #visionsonstage |12+| von Lisa Müller
Antigone, eine Jugendliche des 21. Jahrhunderts, begibt sich in die Fußstapfen ihrer legendären Namensgeberin aus der griechischen Sagenwelt – jener Antigone, die ihren Bruder gegen den Willen ihres Onkels bestattet und dafür mit dem Leben bezahlen muss. Kann das wirklich stimmen? Ist ihre Vorfahrin tatsächlich gestorben, oder ist das bloß die Erfindung der Dichter? Genau das möchte die Jugendliche herausfinden und begibt sich auf Spurensuche.
Bühlmanns Neuinszenierung des antiken Stoffs zeichnet sich durch den Einsatz der neuen Rahmenhandlung und der realistischen Annäherung an die zentralen Charaktere aus. Dabei greift das Stück auf einen offenen Theaterstil zurück und durchbricht regelmäßig die 4. Wand: die Figuren treten immer wieder aus ihrer Rolle heraus und hinterfragen das Geschehen. Dadurch wird die schwere Handlung einerseits aufgelockert, andererseits werden die Entscheidungen der Protagonisten nachvollziehbarer. Die junge Hauptdarstellerin kann Antigones Verzweiflung und jugendliche Leidenschaft authentisch vermitteln. Das Publikum kann sich mit ihr identifizieren und leidet mit. Hier wäre es dennoch wichtig gewesen, dass die Regie zu kontrollierten, ruhigeren Momenten angeregt hätte, um einen wirkungsvollen Kontrast zu den emotionalen Spitzen der Darstellung zu schaffen. Angelehnt an das klassische griechische Theater ist der Sprechchor das zentrale Element, der hier sowohl die Rolle des Erzählers als auch einzelner Figuren übernimmt. Besonders beindruckend ist hierbei die präzise Leistung der Laiendarsteller: innen, die in einer fast schon unheimlich wirkenden Synchronität auf Antigone einwirken. Immer wieder treten Einzelne oder Gruppen hervor, um Kreon oder Antigones Verlobten in den Fokus zu rücken. Die Rahmenhandlung von Antigones Suche nach der Wahrheit geht im letzten Drittel der Handlung leider verloren und wird gar nicht mehr aufgegriffen. Das ist sehr schade, da die eigentliche Geschichte dadurch vorangetrieben wird und einen modernen Schliff erhält.
Emotionaler Höhepunkt des Stücks ist die finale Konfrontation zwischen Antigone und Kreon. Die Figur des Kreons ist sehr gut erarbeitet und wird erfrischender Weise nicht als klassischer Schurke gezeichnet. Stattdessen ist das Publikum mit einem Mann konfrontiert, der in einer schwierigen Situation versucht das Richtige zu tun und dabei scheitert. Kreon versucht seine Nichte zur Vernunft zu bringen und legt ihr die Gründe für sein Handeln dar. Aber Antigone bleibt standhaft und lässt sich nicht davon abbringen für ihre Ideale zu kämpfen. Diese Szene wäre durchaus gelungen, verliert aber durch ihre Länge an Spannung. Das dies den Protagonisten auch selbst auffällt (Antigone zu Kreon: „Wir drehen uns hier im Kreis!“) mildert das Problem nur bedingt. Die Ursprungsfrage, ob Antigone in dieser Version nun überlebt, oder nicht, wird bewusst offen gelassen. Diese Entscheidung regt zum Nachdenken an, lässt das Stück jedoch leider unvermittelt enden. Ein runderes, wenn auch weiterhin offenes Finale hätte dem dramatischen Aufbau womöglich mehr Nachdruck und emotionale Tiefe verliehen.
Insgesamt zeigt diese Inszenierung von Antigone viel Potential. Besonders positiv fällt die sehr gute Leistung der (Laien)Darsteller:innen auf. Das Stück greift Themen auf, die nach wie vor gesellschaftlich relevant sind und zeigt eine starke Heldin mit der sich das Publikum identifizieren kann, auch wenn nicht alle dramaturgischen Ansätze konsequent zu Ende gebracht wurden.
Bildquelle:https://www.osiander.de/shop/home/artikeldetails/A1000453475