„Popcorn“ (Dschungel Wien) ///
Mit dem Essen spielt man nicht – eine Widerlegung /// Sara Schauberger ///
Tanztheater mit Livemusik
Wie schmeckt das innere einer Orange? Wie klingt Popcorn im heißen Kochtopf? Was kann man mit einer Tafel Schokolade alles tun? Stephan Rabl hat ein Stück für Kinder ab zwei inszeniert, in dem Essen zur allgemein sinnlichen Erfahrung wird. Da wird in Kochtöpfen Öl erhitzt und der ganze Raum beginnt danach zu riechen, da werden Maiskörner hineingetan und man hört das Geräusch der Körner, wie sie in den Kochtopf prasseln. Da wird die Kamera in den Kochtopf hinein gehalten und man kann auf einer Leinwand anschauen, wie es darin aussieht. Man hört wie es brutzelt und irgendwann beginnen die Maiskörner zu springen und werden zu Popcorn. Wenn man den Deckel vom Topf nimmt hüpft das Popcorn in hohem Bogen hinaus, springt in den Raum hinein und bildet schöne Formationen. Kein Popcorn sieht aus wie das andere. Ein Tänzer (Arnulfo Prado) und eine Tänzerin (Adriana Cubides) werden selber zu auseinander knallendem, springendem Popcorn, das sich zur rhythmischen Live- Musik von Matthias Jakisic durch den Raum bewegt. Für einen Moment kann alles Popcorn sein. Es riecht danach. Es klingt danach. Auf der Leinwand schneit es Popcorn. Gegessen wird da kaum.
Es geht in „Popcorn“ aber auch weniger ums Essen, als ums Erleben und Sehen. Aus altbekannten Alltäglichkeiten werden ästhetische Erfahrungen. So werden die Rippen einer Schokoladentafel zu Walross-Zähnen, einzelne Stücke werden ins Gesicht geklebt und mit
geschmolzener Schokolade wird man angemalt bis man braun ist. Wenn man dann den Schokoladen- Kopf in eine Schüssel Wasser taucht und sich im Takt zur Musik einseift wird alles wieder sauber. Ein bisschen lang und überdreht werden die fünfundvierzig Minuten zum Schluss. Wir befinden uns auf dem Jahrmarkt, wo es süße Zuckerwatte gibt, die Musik aus der Konsole kommt und laut und durcheinander ist. Die Reizüberflutung nimmt hier
kein Ende. Auch wenn das Bild der rosa Zuckerwatte schön ist, wie sie im Raum aufgestellt
an einen verzauberten Wald erinnert, wird es zuviel an Geräuschen und Bildern. Da wo man sich zuvor an Einzelheiten und kleinen Erfahrungen, die die Besonderheit der Tanzperformance ausmachen, festgehalten hat, wird einem plötzlich ein Übermaß an Reizen aufgetischt, das einem die Konzentration auf das einzelne nimmt. Die Performer kehren dann doch noch einmal zum Detail zurück: Wenn man das innere einer Orange ableckt, schmeckt das so, dass man lächeln muss. Es ist ein Geschmack über den man sich freuen kann. Schön, dass einen jemand daran erinnert.
Premiere: 1. April 2010 – Dschungel Wien
Regie: Stephan Rabl, Choreographie: Adriana Cubides, Arnulfo Prado, Stephan Rabl, Lichtdesign: Stefan Enderle, Musik: Matthias Jakisic, Darsteller_innen: Adriana Cubides, Arnulfo Prado, Matthias Jakisic
weitere Kritiken: Popcorn /// Tomás Mikeska