norway.today
von Isabelle Papst, Jakob Pinter & Rebecca Richter /// Dschungel Wien /// 14+ /// Julia Gramm
norway.today handelt von Juli und August (den Menschen, nicht den Monate, gespielt von Rebecca Richter und Jakob Pinter), die sich in einem Onlineforum treffen und beschließen, miteinander zu sterben. Den Selbstmordpakt möchten sie an einer Klippe an einem norwegischen Fjord einlösen.
Dort angekommen kommt es doch anders: Spätestens beim Drehen ihrer Abschiedsvideos wird klar, dass das erste Mal Nordlichter sehen und die beginnende Liebesbeziehung nicht spurlos an den beiden vorübergegangen ist. Der Wunsch nach einem frühen Tod wackelt und die Stimmung schaukelt sich immer weiter hoch. Juli ruft vor Verzweiflung zitternd: „Gestern noch dachte ich, ich hätte alles erlebt! Das Polarlicht gestern … Davor habe ich noch nie eines gesehen. Und wäre ich gestern gesprungen, hätte ich es verpasst!“ August resümiert mit bebender Stimme: „Die Tragik ist: Ich liebe das Leben und gleichzeitig fühle ich mich schon immer von jedem und allem ausgestoßen. Ich lebe seit Jahren unter mir und bin unglücklich.“ Sowohl Richter und Pinter schaffen es in Momenten wie diesen, dass man Julis und Augusts Herzen zerreißen hört.
Trotz des durchwegs finsteren Themas gibt es für jene, die etwas für Galgenhumor übrighaben, einiges zu lachen: Etwa als August Juli stabilisiert, damit sie die Klippe auskundschaften kann. Sachlich informiert sie ihn darüber, dass ein Stück weiter unten ein Felsvorsprung hervorsteht und sie Anlauf nehmen werden müssen. „Sonst was?“, fragt August zögerlich und sichtlich besorgt. Juli antwortet trocken: „Ja, sonst bleibst du dort mit dem Arm hängen. Er winkt dir dann hinterher, wenn du weiter ohne ihn fällst!“
Die Inszenierung ist schlicht: Im Zentrum der Produktion von Isabelle Papst stehen immerzu die beiden Schauspieler*innen. In einer Szene werden sie selbst Teil des Publikum, als sich Juli und August aneinander kuscheln und dem Zuschauer*innenraum den Rücken zudrehen … und Film ab: Mit einem Voice Over von Richter unterlegt, sieht man die beiden Figuren turdelnd und von einem Ohr zum anderen grinsend durch die Stadt ziehen. Eine Vision, ein kostbares Versprechen, was sein könnte, wenn sie nicht springen. Am Schluss springen sie nicht.
Der Text von norway.today lebt von dem Zwischenspiel und der Tiefe der verwirrenden, überfordernden Gefühlslagen seiner Charaktere. Dabei verliert er nicht seinen makabren Humor. Das Trio Papst/Pinter/Richter reduziert auf das Wesentliche und kitzelt so alles aus dem Text heraus. Eine berührende Produktion über das Hoffnung Schöpfen!
Autor: Igor Bauersima | Regie: Isabelle Papst | Ausstattung: Rebecca Richter | Produktion: Jakob Pinter | Aufführungsrechte: S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main | Darsteller*innen: Jakob Pinter, Rebecca Richter | Licht: Mirza Kebo