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Boys Awakening /// TheaterFOXFIRE und Dschungel Wien /// 13+ /// Timon Mikocki

„Boys Awakening“, neuester Teil einer Jünglings-Trilogie, folgt Motiven von Wedekinds „Frühlings Erwachen“ – es geht um jugendliche männliche Sexualität. Mehr als 100 Jahre nach Wedekind ist sie noch immer negativ behaftet, wie Regisseurin Eckenstein meint. Sie will zeigen, dass es vollkommen okay ist, als pubertierender Junge über Masturbation, Begehren und Sex zu sprechen. Zur Verdeutlichung spielt ihr Sohn Lino mit – selbstbewusst bildet er im Frauenkleid einen wertvollen Gegenpol, der die Testosteronwelle nicht im Zuschauerdunkel verebben lässt. Beeindruckend ist, wie die unterschiedlichen männlichen Subjekte glaubhaft eine Peer Group darstellen. Lino ist erst 12, der älteste 33, trotzdem nimmt man ihnen die gefühlsreiche Clique ab.

Entstanden ist das Stück aus Impulsen der einzelnen Darsteller. Das merkt man zuweilen, denn die fragmentarischen Reflexionen haben wenig Verbindung und könnten übergreifender sein. Was das Tanzstück auszeichnet, ist der geradlinig-moderne, energiegeladen-musikalische und wenig unterdrückende Umgang mit jugendlicher Sexualität. Aggressivität und Machtkämpfen, auch Transgender-Erotik wird offen, körperlich zum Ausdruck verholfen. Die stärkste Eindringlichkeit erzeugen aber nicht die wilden Momente, sondern eine nachdenkliche Szene, in der die Clique Post-Its auf einen blutjungen, halbnackten Burschen klebt, um symbolisch Erinnerungsmomente zu verarbeiten. Das gesamte Psychogramm von hormonverwirrten Burschen deckt das Stück zwar nicht ab, dafür ist die Inszenierung zu nivellierend. Vielleicht wäre eine Reduktion auf weniger als acht Darsteller gut gewesen, ein Kontrast durch einen Privatraum, oder auch ein konkretes Erlebnis, das die Boys haben. Dennoch bekommt man viele unterhaltende Einblicke in Verhaltensweisen, die bei sprießendem Publikum aller Geschlechter auch sichtlich Empathie erzeugen.

Konzept, Regie: Corinne Eckenstein; Choreografie: Corinne Eckenstein und Ensemble; Musik: Ben Pascal und Richard Schmetterer mit The Boys; Regieassistenz: Johanna Müller; Produktion: Alexandra Hutter; Darsteller: Adil Embaby, Ben Pascal, Flavio de Pina Soares de Carvalho, Futurelove Sibanda, Hisham Morscher, Joaquin Ylo, Lino Eckenstein und Richard Schmetterer

Anmerkung des Verfassers: In einer früheren Version wurden aufgrund von falschen Schlüssen  „theaterpädagogische Improvisationen“ als Grundlage für die Stückentwicklung angeführt. Nach berechtigter Kritik wurde der Text geringfügig geändert.

Ein Gedanke zu “„Ach, wenn jemand käme, dem ich um den Hals fallen und erzählen könnte!“”
  1. Lieber Timon Mikocki
    Danke für die umfassende Kritik.
    Mich würde nur interessieren woher, die Information zu Theaterpädagigischen Improvisation kommen, worauf das Stück angeblich entstanden ist.
    Mit freundlichen Grüßen
    Corinne Eckenstein

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