Zuckerl, Gurkerl, Kackalarm

Von Theater Grips ’n‘ Chips, inspiriert durch Giulia Enders‘ „Darm mit Charme“ // WUK // 8-12 Jahre // Julia Gramm

In nur 45 Minuten begleiten Theater Grips ’n‘ Chips das Publikum von dem einen zum anderen Ende des Verdauungstrakts. Zum Beginn des Stücks stimmt Julia Schreitl das Leitmotiv von Richard Strauss‘ „Also spricht Zarathustra“ am Saxophon an und stimmt die Zuschauer*innen auf eine epische Reise ein. Die musikalische Referenz endet mit jazzigen Verzierungen. Der unerwartete Stilbruch führt weiter zur Besprechung des kleinen Einmaleins des menschlichen Verdauungstrakts. Verwendet wird dabei ein ein ungewöhnliches Anatomiemodell, nämlich Schreitls Saxophon. Über spaßige Konzepte wie diese oder Metaphern – an anderer Stelle wird bspw. die Peristaltik (=die Darmbewegungen) als Achterbahnfahrt für den Inhalt des Darms beschrieben – lädt das Stück zum Lernen ein.
Die Wissensvermittlung steht klar im Zentrum der Produktion. Die Fülle an Information übersteigt zeilenweise vermutlich das Wissen, das manch eine*r aus der Schulzeit mitnimmt. Wenn gerade nicht Verdauung, sondern Ernährung besprochen wird, wird der spaßige Umgangston abgelegt und von einem moralisierenden ersetzt: Süßigkeiten und fettreiche Speisen wie Pommes & Co. werden ohne Wenn und Aber verteufelt.

Die Musik, die am Anfang steht, bleibt auch im weiteren Verlauf omnipräsent: In Liedern mit Ohrwurmqualität besingen die Darstellerinnen u.a. die Zuckerabsorption des Dünndarms. Dass der Großteil der Musik, mit Ausnahme des Leadgesangs und Schreitls Saxophonspiels, aus dem Off eingespielt wird, nimmt dem Stück viel seiner Unmittelbarkeit, die eine live Performance besonders macht.

Im Dickdarm angekommen verkörpert Regina Picker die Darmflora in einem glitzernden Bodysuit, der über und über mit Stofftieren behangen ist. In der Performanceszene verschwindet sie geradezu in ihrem amorphen Kostüm und stattdessen gewinnt man den Eindruck, ein wabberndes Wesen zu betrachten. Bilder wie diese machen Spaß und Lust am Zusehen, aufgrund der durch diverse Kostümwechsel entstehenden Stehzeiten verliert das Stück aber immer wieder deutlich an Fahrt.
Gegen Ende wandert mit einem Gewirr aus Plastikrohren, Bändern und Leuchtketten ein abstraktes Darmmodell ins Zentrum des Spiels: Picker und Schreitl fahren mit ihren Fingernägeln über die geriffelte Oberfläche der Rohre und pusten in Schläuche, um so die Geräusche von Darmwinden zu imitieren. Dass die vor den Augen des Publikums entstehende Geräuschkulisse schnell wieder von Musik und Tonaufnahmen aus dem Off übertönt wird, ist ein enttäuschender Abschluss für ein spannendes Requisit.

Das Stück lässt einen mit durchmischten Gefühlen zurück: Die Höhepunkte der Inszenierung überglänzen die Tiefpunkte, aber knapp. So knapp, dass man über die Schwächen nicht so recht hinwegsehen kann.

Performance, Co-Regie: Regina Picker | Musik, Performance: Julia Schreitl | Co-Regie, Dramaturgie, Vermittlung, Foto: Johanna Jonasch | Assistenz: Ines Kaiser | Produktionsleitung: Anita Gritsch | Kostüme und Ausstattung: Christine Huemer | Tontechnik und Sounddesign: Werner Angerer | Lichttechnik und Lichtdesign: Tom Barcal | Videoregie (Live-Stream): Ronald von den Sternen

Ein Gedanke zu „Ich singe dir ein Lied von der menschlichen Verdauung“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert