Hijab offline

von Shahrzad Nazarpour │ Dschungel Wien │ 12+ │ Anna Bauer

Schwarzer Bühnenraum. Durchsichtige Plastikboxen. Und Shahrzad. Die ersten Minuten spricht sie nichts. Es ist eine Stille, die beinahe unangenehm ist. Mit pointierter Mimik und ausdrucksstarken, geradezu provokanten Blicken wickelt sie ein Tuch um ihren Kopf. Immer wieder. Sie posiert damit, sie würgt sich, sie kämpft damit. Es ist nur ein Stück Stoff. Und gleichzeitig der Ausdruck eines Kampfes um weibliche Selbstbestimmung.

2021 gewann Shahrzad Nazarpour mit einer Kurzversion ihrer Performance „Hijab offline“ den TRY OUT! Nachwuchs-Wettbewerb. Im Rahmen des „SKIN. Festival für junge Erwachsenen“ wurde das Stück im Dschungel Wien abermals gezeigt.

Dreh-, und Angelpunkt der Performance ist, wie es auch der Titel schon verrät, das Hijab. Es ist eng mit Shahrzad Nazarpours eigenen Biografie verknüpft. Sie kommt aus dem Iran, wo das Hijab für Mädchen ab neun Jahren Pflicht ist. Als sie 14 ist, verrutscht während einer Performance ihr Kopftuch, ohne dass sie es bemerkt. Die Performance wird daraufhin sofort unterbrochen. Shahrzad überträgt diese Situation mithilfe von Soundelementen auf die Bühne. „Setzt dein Hijab richtig auf!“, befiehlt eine roboterhafte Stimme aus den Lautsprechern, während sie davon erzählt. Denn das Hijab ist nicht nur in ihrem Leben, sondern auch auf der Bühne überall zu finden. In den Plastikboxen, im Mikrofon, aber auch an der Decke befestigt, von der sie später zu Boden segeln werden.

Den Höhepunkt der Performance stellt aber ein Instagram-Livestream dar, der auf die aufgestapelte Plastikboxen projiziert wird. Dabei zugeschaltet sind Freunde und Familie im Iran. Denn: Die 25-Jährige trägt zwar hier in Österreich kein Hijab mehr. Online weiß das aber noch niemand. Kopftuchlos präsentiert sie sich der Heimat und lässt über die Videozuschaltung auch andere Menschen zu Wort kommen. Frauen, die sich dazu entschieden haben, kein Kopftuch mehr zu tragen. Frauen, die dazu stehen, ein Kopftuch zu tragen. Frauen, die Shahrzads Entscheidung verstehen können, und Frauen, die dies nicht tun. Es braucht nur drei Videos mit Unterhaltungen in gebrochenem Englisch, um deutlich zu machen: Das Hijab ist eine persönliche Entscheidung. Die niemand anderem unterliegen kann als einem selbst.

Äußerst gekonnt spielt Shahrzad auch mit den Vorurteilen des Publikums. Der Vater schimpft, als er die Tochter ohne Kopftuch sieht. Auf Persisch. Was er sagt, versteht vermutlich nur ein Bruchteil des Publikums. Wenn überhaupt. Man reimt sich also seinen Teil zusammen. Bis sich dann am Ende herausstellt: Das war alles bloß gespielt! Es ist eine Portion des Alltagsrassismus, den die Performance thematisiert. Daneben: eine eurozentrische Siri, rassistische Beschimpfungen, Mikroaggressionen.

Mit einer überaus metaphorischer Bühnensprache und großem schauspielerischem Talent gelingt Shahrzad Nazarpour eine äußerst vielschichtiges Performance. Eine Hymne auf weibliche Selbstbestimmung!

Regie, Performance: Shahrzad Nazarpour │ Mentoring, Dramaturgie: Myassa Kraitt │Musik: Mahmod Moneka │Œil Extérieur: Nataša Mackuljak │Licht: Mirza Kebo

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