„Patrick Anderthalb“ ///
Die Adoptionskomödie von Michael Druker hatte ihre Österreich-Premiere beim Szene Bunte Wähne – Festival in Horn /// Sebastian Rieger ///
Gerechnet hatten sie mit einem Baby von anderthalb Jahren, doch wegen eines Missverständnisses steht jetzt der 15 Jahre alte Patrick (Luan Gummich) als Adoptivkind in der Wohnung. Der Bub bringt eine aggressive Attitüde und ein Vorstrafenregister, das sich gewaschen hat, mit sich. Der Schock ist seinerseits aber mindestens ebenso groß, denn seine neuen Adoptiveltern sollen Göran und Sven (Knud Fehlauer und Manuel Moser) sein, ein homosexuelles Ehepaar – und das passt Patrick überhaupt nicht, weil er Schwule nicht leiden kann. Es dauert nicht lange, da fliegen in Michael Drukers Stück „Patrick Anderthalb“ Beleidigungen und Drohungen zwischen beiden Seiten durch die Luft, so wie die vorsorglich angehäuften Stofftiere quer über die Bühne gekickt werden. Dass Patrick eine Naturgewalt ist, merkt man schon durch das Stürmen und Donnern, welches seinen Auftritt begleitet – bemerkenswertes Sounddesign von Ralf Rotterdam.
Hinter der aktuellen sozialpolitischen Thematik stecken einfache, aber effektive Prinzipien der Komik, die in der Regie von Jens Dierckes gekonnt eingesetzt werden, um nicht in mühsames Moralisieren zu verfallen: kontrastierende Typen, Missverständnisse, komische Zufälle. Das Bühnenbild eines gehobenen Vorstadthauses öffnet mit vier großen Drehtüren pointierten Auf- und Abgängen buchstäblich die Tür.
Wie unterschiedlich die drei Figuren sind, wird gleich zu Beginn deutlich. Patrick misst sich in Kampfstiefeln und Lederjacke mit Sven, der noch im Hühnerkostüm vom letzten Charity-Event steckt. Gerade als Sozialarbeiter hat er keine Geduld mit dem schwierigen Jugendlichen. Als schlichtende Instanz schaltet sich Göran dazwischen und beweist dabei emotionales Fingerspitzengefühl. Er liebt seinen Mann, doch er hat auch intuitiv Mitgefühl mit dem Kind, das offensichtlich aus schwierigen Verhältnissen entstammt und Zuwendung statt Ablehnung braucht.
Leider flaut die Spannung nach ihrer ersten Begegnung schnell ab. Patrick Anderthalb zeichnet eine Idealvorstellung, in der Abgründe wie Homophobie und Kindheitstraumata durch tiefe, ehrliche Gespräche und den Austausch von Erfahrungen vielleicht nicht gleich überwunden, aber schnell einmal positiv angegangen werden.
Das ist nicht unbedingt etwas Schlechtes: Die Art und Weise wie die liberal-bürgerlichen Schwulen und der reizbare Delinquent ausgerechnet in der Erfahrung als gesellschaftliche Außenseiter gemeinsame Erfahrungen finden, ist ein Geistesblitz. Tatsache ist aber, dass einem keine Überraschungen mehr begegnen, welche die Situation noch einmal überspitzen oder Patrick, Göran und Sven gemeinsam vor eine neue Herausforderung stellen würden. Patrick Anderthalb ist witzig und kurzweilig erzählt und meint es gut mit seinen Figuren. Leider bleibt man trotzdem etwas enttäuscht zurück.
Premiere: 25. Februar 2012 – COMEDIA Junges Theater Köln
Text: Michael Druker; Regie: Jens Dierkes; Ausstattung: Stephan Testi; Sounddesign: Ralf Rotterdam; Darsteller: Manuel Moser, Knud Fehlauer, Luan Gummich
Foto-Credit: Meyer Originals
Der Text ist im Rahmen des Kritiker_innen-Seminars unter Leitung von Margarete Affenzeller (Der Standard) am Szene Bunte Wähne – Festival 2013 entstanden.