Montags Kinder
von Die Schweigende Mehrheit │Dschungel Wien │12+ │Anna Bauer
Ausgerechnet einen Roboter bringen zwei Rebell:innen ins geheime Gruppenlager. Dabei sind diese doch dazu da die Regeln der künstlichen Intelligenz durchzusetzen. Wenn notwendig mit Gewalt. Alle(s) in Gefahr? Im Gegenteil. Denn der grüne Roboter wird flugs zur Umarmungsmaschine umgebaut und verteilt nun Umarmungen und dicke Bussis.
Mit „Montags Kinder“ schreibt Die Schweigende Mehrheit den Roman „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury in einer hoch technologisierten Zukunft weiter. Guy Montag ist nun mit Linda verheiratet und Vater dreier Kinder. In der Welt, in der sie leben, ist lesen zwar nicht verboten, aber verpönt. 24/7 online sein, das ist das Ziel. Ab einem gewissen Alter werden die Kinder daher neuroverlinkt, um noch besser mit der Welt des Internets verbunden zu sein. Babbage, der Älteste der drei Montagskinder, ist das schon. Und Mutter Linda träumt sogar davon Teil des sogenannten Bioadapters zu werden. Also: Gehirn im Tank und daueronline. Tochter Ava ist hingegen im Vergleichsprogramm und deshalb nicht neuroverlinkt. Mit den Bioadapterträumen ihrer Mutter weiß sie nichts anzufangen. Stattdessen liest sie lieber „Fahrenheit 451“. Und auch der Jüngste, Benjamin, findet Gefallen am Lesen. Als er schließlich ebenfalls neuroverlinkt werden soll, haut er von zuhause ab und trifft auf eine Rebell:innengruppe, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die künstlichen Intelligenzen, die die Menschen fest im Griff haben, zu stürzen. Als die Rebell:innen schließlich einen Stromausfall verursachen, muss sich die Familie Montag entscheiden: Möchten sie tatsächlich in den Bioadapter einsteigen oder doch lieber für ein Leben ohne den stetigen Einfluss und Kontrolle der künstlichen Intelligenzen kämpfen?
Es sind vor allem Fragen rund um Datenschutz, Zensur und Überwachung, die in „Montags Kinder“ aufgeworfen und bearbeitet werden. In der Theorie ist das zwar spannend, im Stück selbst wirkt es oftmals leider nur zwanghaft pädagogisiert. Besonders bitter stößt dabei die Moralisierung von Lesen und Videospielen auf. Lesen ist gut und super, wer aber Videospiele spielt ist verblödet und nicht mehr fähig sich eine eigene Meinung zu bilden. So wie eben Babbage, der die ganze Zeit nur Fortnite zockt. Wäre es nicht stattdessen an der Zeit für alternative Erzählungen wie man digitale Medien sinnvoll und sicher in den eigenen Alltag integrieren kann?
Es bleibt ein Wehrmutstropfen. Dafür begeistern die Schauspieler:innen von Die Schweigende Mehrheit. Viele von ihnen stehen in „Montags Kinder“ zum ersten Mal auf der Bühne. Dabei verkörpern sie Rebell:innen, Roboter und die Montagsfamilie mit solch einer Ausdrucksstärke und Begeisterung, dass man nur staunen kann. Und auch die Kostüme und das Bühnenbild – Karton-VR-Brillen bis hin zu Schwimmnudelkampfgeräten – sind unglaublich detailgenau und liebevoll gestaltet und lassen einen tief in diese imaginierte Zukunftswelt eintauchen.
Was „Montags Kinder“ auf der inhaltlichen Ebene einbüßt, machen Ensemble und Bühnenbild also doppelt wett. Die Schweigende Mehrheit zeigt wie Theaterliebe ausschauen kann. Spoiler: Sie ist ansteckend!
Von und mit: Juliette Heritage, Miriam Messinger, Anja Paukovics, Isabel Purkert, Milena Horbach, Joana Gregory, Sarah Kadlec, Veronika Bogdanović, Pelin Holly, Hanifa Kazafer, Hazem Moustapha, Nik-Yulian Chulev, Michael Prince Samuel Neş, Zidan Darwish, Anmar Osfor, Robert Czyszczon, Aleksandar Vasić, Gudrun Lenk-Wane, Tina Leisch, Zoran Bogdanović, Maria Macić, Fabio Peissl, Stefan Bergmann, Bernhard Dechant
In Kooperation mit epicenter.works
Foto: Die Schweigende Mehrheit