Dachs

von Pip. Performance | Dschungel Wien | 5+ | Julia Gramm

Eine dunkelblaue kniehohe Röhre erstreckt sich über die Bühne. Als diese zu rascheln, sich zu bewegen beginnt, greift im Publikum Aufregung um sich: Es wird getuschelt und gekichert. Die Anspannung nimmt zu, als die Bewegungen des wurmartigen Gebildes immer größer und größer werden. Die Zuseher*innen lehnen sich über den Schoß des*der Sitznachbar*in, hüpfen auf – in der Hoffnung, einen Blick auf die Verursacherin zu erhaschen. Nach mehreren Minuten des Raschelns und der Bewegungen hat man noch nicht einmal eine Pfote, ein Ohr, ein einziges Haar des titelgebenden Dachs gesehen. Mehrmals vernimmt man den Ruf aus dem Publikum: „Dachs, komm‘ jetzt!“ Der Unmut wächst und wächst. Schließlich schlägt die aufgeregte Spannung in Ungeduld, Ärger und Apathie um.

Nach dem zähen Start kann das Duo auf der Bühne (Emmy Steiner & Astrid Wiesinger) das Publikum nicht mehr für sich zurückgewinnen: Das Tempo des Stücks bleibt träge. Nach der ersten Stückhälfte setzt die markante Basslinie von Billie Eilishs Bad Guy ein. Mitgerissen von dem Lied springen die Zuschauer*innen auf und tanzen los. Ohne einen Hinweis von Seiten der Produktion, dass eine Reaktion wie diese intendiert gewesen wäre, wirkt es so, als hätte das Publikum kurzerhand beschlossen, noch das Beste aus dem Vormittag zu machen: 1:0 für Billie Eilish.

Dachs nimmt sich einem Tier an, das abseits der klassischen Favoriten der angedachten Altersgruppe liegt und erzählt eine Geschichte über die Bemühungen eines Menschen, dieses scheue Tier besser verstehen zu lernen und sein Vertrauen zu gewinnen. Dieses Ziel wird schließlich erreicht, da er respektvoll auf den Dachs zugeht und sich seinen Bedürfnissen anpasst. Dies wird durch die letzte Szene verdeutlicht, in der Mensch sogar den Bau des Dachs betreten darf. Ob diese Geschichte und ihre Conclusio bei dem Publikum, das zu diesem Zietpunkt nach wie vor freudig tanzt, ankommt, ist fraglich. Nach 40 Minuten findet die Performance ihr Ende in einem Black Out, woraufhin eines der Kinder verwirrt ins Dunkle fragt: „Das war’s schon?“ Ja, das war’s leider schon.

Konzept, Choreografie, Performance: Emmy Steiner | Komposition, Saxophon, Performance: Astrid Wiesinger | Choreografische Beratung: Martina Rösler | Bühne, Kostüm: Christian Schlechter, Birgit Kellner, Brigitte Moscon | Musikalische Beratung: Milly Groz | Dramaturgische Begleitung: Manfred Weissensteiner | Œil Extérieur: Sabina Holzer| Produktion: Julia Haas| Fotos: Laura Steiner, Bettina Frenzel

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