Am 14. November macht Junges Theater Wien erstmals in Floridsdorf Halt: Die Ein-Personen-Stücke Pinocchio (6+), Alice im Wunderland (6+) und Nipplejesus (16+) stehen am Programm. Nach dem Testlauf in der aktuellen Spielzeit soll ab Herbst 2025 im großen Stil (etwa 400 Vorstellungen in 19 Spielstätten) in den fünf großen Außenbezirken Wiens Theater für alle zwischen zwei und 22 Jahren angeboten werden.

Ein improvisierter Start

Als kurz vor 10 – gleich geht Pinocchio los – zwei munter plaudernde Volksschulklassen hereinkommen, kommt Bewegung in das Team von Junges Theater Wien: Eilig werden zwei zusätzliche Sesselreihen aufgestellt, um Sitzplätze zu schaffen. Der Theaterraum, das Kulturankerzentrum Schlingermarkt im eleganten und geschichtsträchtigen Gemeindebau Schlingerhof, wirkt schon davor etwas improvisiert: Dem Raum würde ein neuer Wandanstrich guttun, die Sessel sind wild zusammengewürfelt, die Bühne ist ein Provisorium, die Beleuchtung bietet genau Beleuchtung – sonst nichts.

Während die Kinder ihre Jacken ablegen und Platz nehmen, lassen sich Bezirkshauptmann Georg Papai (SPÖ) und Leiter von Junges Theater Wien Stephan Rabl mit dem Roll Up mit der Aufschrift „Junges Theater Floridsdorf“ (dazu später mehr) ablichten. Bei der Begrüßung der Volksschulkinder erklärt Rabl indirekt, warum sich das Kulturankerzentrum als Spielstätte so improvisiert anfühlt: Es ist das erste Mal, dass hier Theater gespielt wird.

Pinocchio und Alice im Wunderland erweisen sich als unterhaltende Stücke, die von ihren Darstellerinnen technisch brillant performt werden. Innovative beziehungsweise provokante Elemente waren nicht zu finden. Bei allen drei Produktionen handelt es sich um bereits erprobtes und gefeiertes: Beim Festival tagträumer*innen (davor: Waldviertler Szene) haben 2021 Pinocchio und 2023 Alice im Wunderland Premiere gefeiert, Nipplejesus schon 2009 im Dschungel Wien.

… ambitionierte Pläne …

Am Abend findet das sogenanntes Startfest statt: Anstelle der Kinder sind nun (erwachsene) Multiplikator*innen eingeladen. Ehe es zum Austausch mit eben jenen kommen soll, sprechen unterschiedliche Verantwortungsträger*innen. Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler (SPÖ) streicht hervor, wie ökonomisch sinnvoll das Projekt ist: Einerseits werden Theaterstücke, deren Produktion im Vorfeld gefördert werden, häufiger gespielt, andererseits hält man damit Künstler*innen in Beschäftigung. Anschließend erzählt Papai, dass man seit Jahren bemüht ist, mehr Kultur vor der Haustür der Floridsdorfer*innen anzubieten. Dabei werden neben der örtlichen Nähe auch finanzielle Möglichkeiten berücksichtigt. Gerade für Kinder und Jugendliche sollen Eintritte gratis oder zumindest kostengünstig angeboten werden. Zuletzt spricht Rabl, der betont, dass das Projekt hier im 21. Bezirk absichtlich Junges Theater Floridsdorf genannt wird, denn man möchte ab der nächsten Spielzeit die Identität der jeweiligen Bezirke im Theaterprogramm berücksichtigen. Rabl scheint den sparfreudigen Plänen der Stadträtin zu widersprechen, als er erzählt, dass es in der Zukunft auch Premieren in den Außenbezirken geben soll. Nach zwei Theatervorstellungen und den Redebeiträgen ist mein Kopf zu voll für noch mehr Theater oder gar Austausch, weshalb ich nachhause gehe.

… und Gedanken einer Floridsdorferin

Und ich möchte betonen: Ich gehe, noch dazu keine zwanzig Minuten. Es ist erst das dritte Mal, dass ich nach einer Kulturveranstaltung nachhause spazieren kann. Als Wienerin, die in Transdanubien aufgewachsen und freiwillig hier picken geblieben ist, ist es für mich offensichtlich, wie wertvoll ein Projekt wie Junges Theater Wien sein kann. Während meiner Kindheit ist es meinen Eltern ein Anliegen gewesen, dass ich mit Kunst und Kultur in Kontakt komme. Das hat für sie – keine Großverdiener*innen, wohl gemerkt – bei jedem Theater- oder Museumsbesuch große Ausgaben und eine Öffireise durch halb Wien bedeutet. Dass nicht alle Eltern das Geld und die Zeit für Ausflüge wie diese zusammenkratzen können, ist gelebte Realität. Das Projekt Junges Theater Wien zeigt, dass es in der Politik nicht nur ein Bewusstsein für diesen Umstand gibt, sondern auch den Wunsch, diese Hürden abzubauen.

Ich bin gespannt, wie sich das Projekt entwickelt: Rabl spricht am Abend davon, dass für die Spielzeit 2025/26 etwa 200 Vorstellungen an mehreren Veranstaltungsorten in jedem Bezirk geplant sind. Zudem warte ich gespannt auf die Antwort des Jungen Theater Wiens auf die Frage, was die Floridsdorfer Identität ist: „Juan Son“ kann der Anfang einer Antwort sein, aber nicht das Ende.

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Um die Website von Junges Theater Wien zu besuchen, klicken Sie hier.

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