„Christiane F.“ (theater.wozek) ///
Hinter den Kulissen vom Bahnhof Zoo /// Sara Schausberger ///
„Hast du einen Euro?“ ins Publikum hinein. Eine Szene, die man kennt, nicht vom Bahnhof Zoo, nicht vom Alex, nicht aus Berlin, sondern aus Wien. Und dann, weil schnorren lange dauert, kommt wie aus dem Nichts der Erlöser, der nur fürs Runterholen 100 Euro zahlt, weil es Christianes erstes Mal ist, ihr erstes Mal am Strich.
Christiane F. ist in Wien gelandet, in einer Inszenierung der freien Theatergruppe wozek, und das bedeutet keine Nacherzählung des 1978 erschienenen Buchs „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhofzoo“, keine theatrale Interpretation der Verfilmung, sondern die Auseinandersetzung mit dem Mythos in Versatzstücken. Im Stück „Christiane F.“ kommen alle zu Wort, allen voran ihr Sohn (Charly Vozenilek), der mit kleinen Spielzeugfiguren die Kindheit seiner Mutter nachstellt, aus ihrem Buch vorliest und wütend auf sie ist, weil sie ihr Leben an die Öffentlichkeit verkauft hat. Christiane F. (Sandra Selimovic) und ihr Freund Detlef, wie man sie aus dem Buch kennt, die Mutter, der Vater. Mittendrin auch die SchauspielerInnen selber und ein Regisseur, der versucht, die Geschichte zu inszenieren, und die Grenzen zwischen Spiel und Realität verschwimmen lässt. Ob es die Rolle des Regisseurs als letzte Instanz für die Inszenierung gebraucht hätte, ist fraglich, weil die Auflösung der Identitäten auf der Bühne auch ohne ihn gut funktioniert, wie zum Schluss, wenn Sandra Selimovic, die Schauspielerin der Christiane F., zur Schauspielerin der Christiane F. wird, und die Frage aufkommt: Wer ist hier eigentlich wer und wer wird hier zu dem gemacht, der er ist?
Christiane F. ist auch dreißig Jahre nach Erscheinen der Autobiographie das Synonym für viel zu junge Menschen, die an der Nadel hängen (auf der Leinwand immer wieder das Bild einer Vene, in die gespritzt wird), David Bowie hören (siehe Musikvideo auf der Leinwand) und auf den Strich gehen. Das spärliche Bühnenbild versinnbildlicht die desperate Drogenszene mit einem Klo, das mitten auf der Bühne steht, einer Matratze und einem Heizkörper, an den man sich anlehnen kann, wenn man runter kommt. Dass Drogen schlecht sind und einem das Leben kaputt machen, hat man schon oft genug erzählt bekommen und das schöne an der Inszenierung von Karl Wozek ist, dass sie nicht versucht, das gleiche wieder und wieder zu sagen, sondern die Drogengeschichte schlechthin auflöst, ohne dass es zur Erlösung kommt.
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Premiere: 24.11.2010 – Dschungel Wien – theater.wozek