„Christiane F.“ (theater.wozek) ///
Sie hat schon was geleistet, sie hat überlebt /// Reinhard Strobl ///
Im Rahmen eines Potraits von Karl Wotzek setzt der Dschungel Wien die Romanadaptionen Christiane F. wieder auf den Spielplan.
Nicht das Nachspielen des Romans, wofür sich das Medium Film wohl auch besser eignet, ist die Intention von Regisseur Karl Wozek, vielmehr lässt sich diese Arbeit als szenische Collage beschreiben, die zwar Versatzstücke aus Christiane Felscherinows Autobiografie aufgreift, sich aber nie darauf beschränkt und die meisten Szenen erst gar nicht ausspielt. Vielleicht weil sich eine derartige Geschichte gar nicht so linear erzählen lässt, oder auch einfach nur, weil das zitieren und andeuten schon reicht um die entsprechenden Bilder beim Publikum zu evozieren.
Über 30 Jahre ist es mittlerweile her, dass Christiane F. drogensüchtig wurde, dementsprechend klug ist auch der Einstieg gewählt, der nicht mit dem ersten Kapitel aus Wir Kinder vom Bahnhof Zoo beginnt, sondern mit der Erzählungen von Christianes Sohn (Charly Vozenilek), der recht bald feststellt, dass wohl alle seine Mutter besser kennen würden, als er selbst. Nach und nach werden Figuren herausgearbeitet, so stellt Sandra Selimovic die meiste Zeit über Christiane F. dar, während Marion Rottenhofer Christianes Mutter spielt – sofern überhaupt gespielt und nicht die theatrale Situation an sich thematisiert wird. Immer wieder werden einzelne durch andere Szenen unterbrochen, wenn nicht überhaupt gleich die ganze Aufführung in Frage gestellt wird.
Es sind diese Brüche, die das Stück so spannend machen, denn die kontinuierliche Verunsicherung, wann oder ob überhaupt Figuren dargestellt werden, ist oft ebenso schwer zu beantworten, wie die Frage danach, wann man eigentlich von Sucht sprechen kann. In diesem Sinne sehr konsequent ist dann auch das Ende, in dem Selimovic ihre eigene oder zumindest eine mögliche Lebensgeschichte erzählt, um gleich noch weitere mögliche andere Biografien anzuführen, die genauso zutreffend sein könnten. In dieser abschließenden Szene wird offensichtlich, dass Christiane F. einfach nur ein Name ist, ihre Biografie zwar einerseits einzigartig ist, doch von jedem erzählt werden könnte, das „Wir“ in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ sich also auch auf „Uns“ – die Zuschauer – beziehen könnte.
weitere Kritiken:
Christiane F. /// Marlene Groihofer
Hinter den Kulissen der Kinder vom Bahnhof Zoo /// Sara Schausberger
Christiane F. /// Sarah Wimmer
Premiere: 24.11.2010 – Dschungel Wien – theater.wozek