/// Musiktheater /// make make Produktionen /// 10+ /// Clara Gallistl

 

Heranwachsende tragen häufig den Wunsch in sich, die Welt zu bereisen – in ferne Länder oder in die Vergangenheit; auf abgelegenen Inseln dem oft stressigen (Schul-)Alltag entfliehen und Neues zu entdecken. Dazu lädt “Atlas der abgelegenen Inseln” unter der Regie von Sara Ostertag mit Nachdruck ein. Das Stück beginnt im Vorraum des Theaters: Darstellerin Michèle Rohrbach (großartig!) sowie die Musiker Samuel Eder und Zuko Samela (Geige und Oboe zum Verlieben) als Forscher_innen des ausgehenden 19. Jahrhunderts versetzen das Publikum sofort in eine Zeit, in der das Entdecken der Welt prestigeträchtig, abenteuerlich und vom postkolonialen Blick unbescholten war.

Doch dieser kritisch-reflexive Blick stellt sich her, sobald das Stück seinen Zug im Theaterraum aufnimmt. Deutlich benennt Rohrbach egozentrische Ausrichtung von Kartografie, die narzisstische Grundhaltung einiger Entdecker_innen – und spart dabei auch nicht mit weiblichen (Negativ-)Beispielen. Die theatralen Mittel werden von der Produktion lustvoll ausgeschöpft (Flugzeug stürzt von der Decke ab). Rohrbach beginnt als Vortragende mit Handmikro und “benennt alles” (Rudolf-Inseln), Laura Eva Meuris (unglaublich tiernahe Performances) führt wunderbare Kostüme von Brigitte Moscon aus, gemeinsam performen die beiden Darstellerinnen Entdecken, Dokumentieren, Suchen und Finden – und übersehen dabei nicht, dass sich das “Neue” beizeiten gar nicht erforschen lassen will.

Deutlich wird in Ostertags feinsinnigem, lustigen Spiel der Weltentdeckungen die Lust am Entdecken ebenso wie die Gewalt des Benennens, Kartografierens und Kategorisierens. Unvergesslich: der Krabbentanz, der Flamingo, der Pinguin, das Faultier und – die live Kamera mit iPhone!

 

Koproduktion mit dem Vorarlberger Landestheater Bregenz, Wien Modern & Dschungel Wien, in Kooperation mit dem Vorarlberger Landeskonservatorium

Regie: Sara Ostertag; Komposition: Hannes Dufek; Ausstattung, Licht: Christian Schlechter; Kostüm: Brigitte Moscon; Dramaturgie: Nina Fritsch; Spiel/Performance: Michèle Rohrbach, Laura Eva Meuris; Musiker: Samuel Eder, Zuko Samela; Produktion: Daniela-Katrin Strobl; Regieassistenz: Simone Loser; Ausstattungsassistenz: Lena Lom

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