„Popcorn“ (Dschungel Wien) ///
Tomás Mikeska ///
Der Titel nicht vielversprechend. Die Vorfreude hält sich im Rahmen. Doch bereits nach den ersten Minuten der Aufführung von „Popcorn“ im Dschungel Wien, ein Gemütswandel. Die Darsteller und ihre Performance tragen nicht nur das Stück, sondern auch die Sympathie und das Lächeln der Zuschauer.
Mit einem Zusammenspiel aus Clownerie, Körperakrobatik, Ausdruckstanz und körperbetontem Spiel, bewegen sie sich selbstbewusst von Bild zu Bild und überschatten die zurückhaltende Bühnengestaltung. Diese gleicht einer offenen Abstellkammer und verwischt den Zauber einer geheimnisvollen Bühnenmechanik und Ausstattung. Kein Minimalismus, eher störender Requisitenchaos, von dem man dank der gelungenen Regie und der Schauspielkunst der zwei Protagonisten leicht den Blick abwenden kann. Die Zuschauer werden in Erfahrungswelten entführt, die meist in der Kindheit verankert sind. Oder wann haben sie das erste Mal Popcorn gegessen? Den Geruch von Zuckerwatte in der Nase gehabt und den Geschmack von Schokolade und Orangen genossen? Auf diese Frage beschränkt sich diese Aufführung jedoch nicht. Vielmehr sucht sie nach der Faszination, den Umständen und Situationen die wir damit verbinden und die den Reiz dieser Köstlichkeiten ausmachen. Vier Bilder, vier Gerüche, vier Geschmäcker, vier vergessene Reize – Magie. Die Magie der uneingeschränkten Fantasie und der Verwandlung. Angefangen bei den getrockneten Maiskörnern, die vor den Augen der Zuschauer in einem Topf lebendig werden und hüpfen lernen, bis zu ihrer Verwandlung zur weißen unförmigen Leckerei vieler Kinoabende. Doch nicht nur die Körner verändern hier ihre Form, auch die zwei Hauptdarsteller vermögen selbst zu Popcorn zu werden. In synchronen Bewegungsabläufen, Sprüngen und an Breakdance angelehnten Figuren nehmen sie die Gestalt des Popcorns an und erzeugen Bilder, die unverwechselbar und beinahe magisch sind.
Ein Hauptgeschehen folgt dem anderem und so gelingt eine Blicklenkung, die nur das Wesentliche zu erfassen erlaubt. Untermalt durch Live-Musik – die sich der Dynamik der vier Szenen anpasst – entstehen Fantasieformen und Bildern, die zu den Jahrmärkten der Kindheit führen und Orangen zu Telefonen, Bällen und Augen werden lassen. Ein Leckerschmaus nicht nur für die Kleinsten ab zwei Jahren, sondern für alle die sich hinter Masken aus Zuckerwatte verstecken.
Premiere: 1. April 2010 – DschungelWien
Regie: Stephan Rabl, Choreographie: Adriana Cubides, Arnulfo Prado, Stephan Rabl, Lichtdesign: Stefan Enderle, Musik: Matthias Jakisic, Darsteller_innen: Adriana Cubides, Arnulfo Prado, Matthias Jakisic
weitere Kritiken: Mit dem Essen spielt man nicht – eine Widerlegung /// Sara Schauberger