„Boys don’t cry“ (TheaterFOXFIRE & Dschungel Wien) ///
Manns genug für ein Tutu /// Tomáš Mikeska ///
Regisseurin Corinne Eckenstein lässt die „Puppen“ tanzen und beweist mit „Boys don’t Cry“ ihren Sinn für Männlichkeit.
Es ist eine Männerwelt hier auf der Bühne des Dschungel Wien. Regiert wird diese von der überzeugenden Ensembleperformance acht junger Tänzer im Alter zwischen zwölf und dreißig Jahren. Von Musical über Breakdance bis hin zum Ballett – der künstlerische Hintergrund der Tänzer kann nicht unterschiedlicher sein. Doch sie alle haben etwas gemein: sie sind Männer und sie lieben es, sich zu bewegen. Aus alltäglichen Regungen heraus, von Musik angeleitet, als Waffe in einem „Battle“ oder als Ausdruck des eigenen Gefühls – Tanz findet hier seinen gerechten Platz und präsentiert sich in seiner geschlechtslosen Form. Ja, auch Männer dürfen tanzen, sogar einen „Booty-Shake“.
Ein Mann ist ein Mann – unabhängig vom Alter, seiner Herkunft, sexuellen Orientierung oder körperlichen Einschränkung – und das bringen die acht Tänzer des Theaters FOXFIRE bildlich auf den Punkt. Fragen nach gesellschaftlichen, kulturellen oder körperlichen Anforderungen werden in „Boys don’t cry“ zwar aufgeworfen, der Versuch diese zu beantworten jedoch nicht unternommen. Und das ist gut so. Dafür geht Corinne Eckenstein einen subtileren Weg. Indem Tanz als intersexueller Raum bestimmt wird, ruft die Regisseurin das Thema der Geschlechterteilung und -bestimmung unaufdringlich ins Bewusstsein. Eine Zugangsweise die erfrischt.
Leider besitzt die Dramaturgie auch leichte „Auf und Abs“ und gleicht so der einzigen Bühnenrequisite hier – den höhenverstellbaren Bänken, die als Stufen, Laufsteg etc. bespielt werden. Doch trotz einiger Lücken in der Spannungsarbeit vermag das Stück sehr wohl zu bewegen. Von eindringlichen Musikeinspielern (Sue Alice Okukubo) unterstützt, fällt es nicht schwer sich dem harmonisierenden Ensemble und der wilden Kombination aus diversen Tanzrichtungen und -einflüssen zumindest für die Dauer von 80 Minuten hinzugeben.
Ein abwechslungsreiches Stück Tanztheater, das an der einen oder anderen Stelle Schamesröte oder ein Lächeln aufs Gesicht zaubern kann, nie aus dem Rhythmus kommt, Mut macht seinen Ausdruck zu finden und dafür Grenzen zu stürzen. Und? Heute schon getanzt?
Premiere 27.12.2012 – Dschungel Wien – TheaterFOXFIRE
Regie, Konzept: Corinne Eckenstein; Choreografie: Corinne Eckenstein & Ensemble; Tanzcoach: Richard Schmetterer; Musik: Sue Alice Okukubo; Bühne: Andreas Pamperl; Kostüme: Ulli Nö; Foto, Video: Rainer Berson; Assistenz: Roxana Rahnama; Darsteller: Adil Embaby, Ben Pascal, Flavio de Pina Soares de Carvalho, Future Sibanda, Hisham Morscher, Joaquin Ylo, Richard Schmetterer, Yu Lei