Koproduktion makemake produktionen & Kosmos Theater /// Timon Mikocki
Die Formenvielfalt ist eines der herausragenden Merkmale der Arbeiten von “Österreichs interessantester Kindertheaterregisseurin” Sara Ostertag (Falter). Zuletzt mit drei Produktionen innerhalb einer Woche zeigt sie unermüdlich, was los und möglich und dass die Theaterarbeit nach oben hin offen ist. An “Das große Heft”, einer Produktion für Erwachsene, ist heute weniger der Inhalt interessant. Es fühlt sich eher so an, als sei dieser nur die bedeutungsschwere Unterlage, um der Kraft der Performance Starthilfe zu geben. Dem fast schon verstaubten Befindlichkeitstext schenkt Ostertag im Kosmos-Theater eine Wucht an Darstellungstechniken, die körperlich extrem expressionistisch sind. Und setzt mit verblüffenden Regieeinfällen die alten Lehren in einen neuen Kontext, arbeitet sich auch an Generationenwechseln ab. Die Bühne aus Sand, die Menschen nackt, genderfluid und farbbespritzt, die Sprachen und Stimmen ineinanderfließend, überrascht das Ensemble mit Mitteln, die gar nicht immer modern, eher simpel-archaisch und enorm wirkungsvoll sind. Eine Figur bewegt die Lippen, eine andere liefert die Stimme dazu. Eine Schwangere krabbelt tierisch auf allen Vieren über die Bühne, ein Hund und ein Kind treten auf. Formal durch Gegensatz- und Zwillingspaare strukturiert, entfaltet sich so eine irrwitzige aber schaurige Mischung aus Genres, Atmosphären und Tönen (das sinnliche ein-Frau-Orchester Jelena Popržan hat wie immer alles im Griff). Ein hervorragendes Ensemble, aus dem Simon Dietersdorfer heraussticht, setzt das Ganze punktgenau auf die Bühne und bedient sich dabei kreativ auch der technischen Möglichkeiten. Das alles zusammen ergibt am Ende ein widerspenstiges, schreiendes, sich im Dreck wühlendes und enorm dichtes Stück, das noch viele Münder offen stehen lassen wird.
Regie: Sara Ostertag; Musik: Jelena Popržan; Bühne: Nanna Neudeck; Maske/Bodypainting: Nadja Hluchovsky; Dramaturgie: Anita Buchart; Choreografie: Martina Rösler; Produktion: Julia Haas ; Regieassistenz: Lisanne Berton; Hospitanz: Elena Lynch; Mit: Simon Dietersdorfer, Martin Hemmer, Jelena Popržan, Michèle Rohrbach, Martina Rösler, Jeanne Werner, Emma Wiederhold