„Das Kind der Seehundfrau“ (makemake produktionen & Dschungel Wien & Wien Modern) ///
Ein Eisfeld aus Kühlschränken: Ein altes Inuit-Märchen als atmosphärisches Trauerspiel /// Sara Schausberger ///
Ein Eisfeld aus Kühlschränken und Tiefkühltruhen. Mittendrin fährt ein einsamer Mann mit seinem Kajak – auch das Kajak ist aus einem alten Kühlschrank – zum Fischen aufs Meer hinaus. Eines Tages entdeckt er dort das Geheimnis der Seehunde: Eigentlich sind Seehunde Frauen, die sich einmal im Jahr die Seehundhaut abstreifen. Der Mann wird einer dieser Frauen das Fell stehlen. Sie werden ein Kind kriegen und sieben Jahre miteinander verbringen.
Die Regisseurin Sara Ostertag hat ein altes Inuit-Märchen eindrücklich und bedrückend auf die Bühne gebracht. Selten wird am Kindertheater so viel Schmerz und Trauer zugelassen. Der Schmerz ist der Seehundfrau eingeschrieben, als sie nach sieben Jahren nach ihrem Fell verlangt. Die Haare fallen ihr aus, sie atmet schwer.
Ein Ensemble aus Bratsche, Flöte und Klarinette macht wehmütige Musik, die manchmal nicht mehr als ein Knarzen oder Jaulen ist. Der Gesang von Anna Clare Hauf, die auch als Schauspielerin auf der Bühne zu sehen ist, trifft manchmal die Töne schief, so wie die gesamte Komposition von Jesse Broekman die Töne manchmal schief und nicht glatt spielen lässt.
Aber zwischen all der Einsamkeit und dem Schmerz sind sieben glückliche Jahre, in denen der Fischer seinem Sohn Oruk das Fischen beibringt und die drei als Familie miteinander leben. Die Rollen werden von Michèle Rohrbach, Simon Dietersdorfer und Anna Clare Hauf wild durchgemischt. Und man kann nichts anderes sagen, als dass hier alle ihre Sache ausgesprochen gut machen. Neben der Regie, der Musik und dem Spiel, seien auch die düster atmosphärische Bühne von Nanna Neudeck, Christian Schlechter und Birgit Kellner, sowie die ästhetischen, aber durchaus funktionalen Kostüme von Jennifer Podehl und Stephanie Netzberger hervorzuheben.
Manche Geschichten enden traurig. Diese hier ist so eine Geschichte, und irgendwie ist es toll, dass das inmitten von Eisfeldern auch mal so erzählt wird.
Premiere: 13.11.2012 Dschungel Wien – makemake produktionen – Wien Modern
Autorin: Sophie Kassies; Regie: Sara Ostertag; Komposition: Jesse Broekman; Ausstattung: Nanna Neudeck, Birgit Kellner, Christian Schlechter; Kostümwerkstatt: Jennifer Podehl; Dramaturgie: Maria Tunner; Choreografie: Katrin Blantar; Regieassistenz: Viktoria Waldhäusl; Produktion: Julia Wiggers; Schauspieler_innen: Simon Dietersdorfer, Michèle Rohrbach; Sängerin: Anna Clare Hauf; Musikerinnen: Jelena, Poprzan, Maja Osojnik, Mona Matbou Riahi