„Stadt der Hunde“
„Stadt der Hunde“ ist eine aus der „Dog City“ Berlin importierte „Hundeoper“ ab 12 Jahren, ursprünglich die Verhältnisse im hunde- und migrationsreichen Kiez Neukölln reflektierend und auch ebenda 2009 an der Neuköllner Oper uraufgeführt. Für Wien wurde das preisgekrönte Stück (Ikarus 2010) des jungen Duos, bestehend aus der Komponistin Sinem Altan und der Autorin Tina Müller, adaptiert – vor allem auch sprachlich. /// Elisabeth Hochwarter ///
„Bin ich Kino, Oida?“, fragt die von Herrl Murat ausgesetzte Mopswelpin Dilara ihre zwei männlichen Hundegegenüber, als sie die mit rosa Leine an einen Hydranten Angekettete anstarren. Ganz eingestehen will die Möpsin diese schändliche Tat ihres Besitzers noch nicht und lobpreist im darauffolgenden Rap frech ihr Herrl Murat und sich selber: „Murat-Mops ist Top of the Mops!“
Zutiefst menschlich sind die drei tierischen Darsteller mit ihren Ängsten, Sehnsüchten und ihrer Aggression ob ihrer Ausgeschlossenheit und Ausgesetztheit. Sie alle sind unfreiwillig auf der Gefahren bergenden Straße gelandet und gierig nach Gerüchen, Futter und nicht zuletzt Liebe und Streicheleinheiten. In dieser unwirtlichen Umgebung, wo jeder auf sich gestellt ist, zeigt sogar der bissige, Lederjacke tragende Kampfhund Nero seine zarte Seite. Der Dritte in der losen, bald gemeinsam umherziehenden Bande ist ein Schäfer, ein „Gschaftlhuber“, der sich als Polizeihund ausgibt. Er predigt davon einander zu helfen, bis es tatsächlich brenzlig wird.
Der Schauplatz – die nächtliche Straße – ist leer, und so konzentriert sich auch das Bühnenbild auf das hündisch Wesentliche: einen Hydranten, einen Baum und einen leuchtenden Mond.
Geheult wird nicht viel, aber gesungen: Die „Hundeoper“ ist ein Musiktheater und die drei Schauspieler wechseln gekonnt zwischen gesprochenen und gesungenen Parts, live von einem Pianospieler auf der Bühne begleitet. Sinem Altans Musik changiert intelligent und humorvoll zwischen E und U, zwischen „Straßenmukke“ mit deftiger, expliziter Sprache und der institutionalisierten Musik der Platzkarten- und Logenwelt. So bringt sie Sub- und Hochkultur in einen Dialog miteinander.
Lustig anzuschauen ist „Cop-Dogs“ versuchte Rapper-Gestik: Gekonnt schlapp fuchtelt der hagere Schäfer mit seinen Händen in der Luft herum. Die Hundeoper hat viele witzige Momente und Einfälle – etwa auch die Zeichnung der Möpsin Dilara als Schuhfetischistin (hat sie doch die Schuhzone stets in Augenhöhe), die stinkende Schuhe besonders liebt.
Leider kostet die Inszenierung dramatische Momente nicht aus, wie es von einer Oper zu erwarten wäre. Viele Probleme – das Mobbing der Möpsin aufgrund ihres Aussehens, der Kampf des Pitbulls Nero gegen seine Erziehung und Anlage zum Beißer, die Utopie der Freiheit in der Metapher des Wolfes – werden nur eingeführt, aber nicht ausgeführt. Um die Hundemetapher zu(m) Ende zu strapazieren: Gut gebellt! Aber: Wer bellt, beißt nicht.
Premiere: 10. Dezember 2013 – Hundsturm
Text: Tina Müller; Wiener Adaption: Claudia Tondl; Musik: Sinem Altan Regie: Dora Schneider; Musikalische Leitung, Klavier: Bernhard Höchtel; Ausstattung: Ilona Glöckel; DarstellerInnen: Ines Honsel, Thomas Richter, Florian Stohr
in Kooperation mit theater ångstrøm